Gesang des Drachen
schmerzte Deochar. Am liebsten hätte er Jardock davonfliegen lassen, auf seiner Flugschlange, zusammen mit allen anderen Zweiflern.
»Für was?«, fragte Jardock.
»Für die Patrouillen. Bis zu diesem Moment haben wir uns darauf beschränkt, uns zu verstecken und Nahrung zu stehlen. Wenn man denn von Stehlen sprechen kann, schließlich nehmen wir nur, was uns gehört. Aber nun will ich die Patrouillen Rimmzahns aufreiben und ihnen die Waffen rauben. Vielleicht können wir auch in eines der Waffenlager eindringen und uns einen Vorrat anlegen. Wir müssen uns ausstatten, damit Bricius bestmögliche Unterstützung hat, wenn es so weit ist.«
Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Die Gruppe um Jardock verlor an Boden.
»Und du glaubst, du kannst etwas gegen den Schattenlord ausrichten?« Jardock versuchte höhnisch zu klingen und scheiterte. Stattdessen lagen Zweifel in seinem Gesicht.
Deochar trat vor, sodass seine Nase die von Jardock beinahe berührte und er den Atem des anderen spüren konnte. Wieder sprach er leise. »Du vertraust mir nicht und hast mich nicht zum Anführer gewählt. Aber was ist mit Bricius? Vertraust du ihm?«
Jardock schluckte. »Ja.«
»Dann halte aus, solange er es tut. Du weißt so gut wie ich, dass Bricius längst hätte fliehen können, wenn er es ernsthaft gewollt hätte. Aber er bleibt. Weil er ein Krieger ist. Was bist du?«
Jardocks Hand zuckte zum Dolch an seiner Seite. Sein Gesicht zeigte, wie tief die Frage seinen Stolz verletzte.
Deochar brachte die Hände in Position, um den Stich abzuwehren, doch Jardock zog nicht. Der Blick seiner hellblauen Augen bohrte sich in Deochars.
»Du hast gewonnen, Menschenmann. Vierzehn Tage kann ich warten. Für Bricius. Dann sehen wir weiter.« Jardock wandte sich ab und drängte sich in die Menge.
Deochar atmete auf. Ein Problem weniger. Zumindest vorerst.
13.
Lügen und Illusionen
Es wurde immer schwieriger, den Bewachern zu entkommen.
Bricius öffnete die Tür zum Gebetsraum und drehte sich zu den drei Männern um, die man ihm zugeteilt hatte. Zwei waren Menschen, der dritte ein Elf, aus dessen Stirn geschwungene Hörner wuchsen.
»Ich möchte allein beten«, sagte er. »Das versteht ihr doch sicher.«
Der Elf nickte. Er war mit einer Gruppe von Flüchtlingen vor einiger Zeit in den Krater gekommen und hatte wohl noch nicht vergessen, dass die Iolair ihn aufgenommen hatten. Der jüngere der beiden Menschen hob die Schultern, so als wäre ihm das egal, aber der ältere spuckte aus.
»Wir haben Anweisung, dich nicht aus den Augen zu lassen«, sagte er. »Daran werde ich mich halten.«
Bricius zog die Tür vollständig auf, sodass er und die anderen den Raum sehen konnten, der dahinter lag. Er war klein und oval. In der Mitte stand ein kleiner, mit Blumen und Obst geschmückter, hölzerner Altar, auf dem Boden lagen Felle. Einige Flüchtlinge benutzten ihn, um zu ihren Göttern zu beten. In dem Höhlenlabyrinth gab es so viele leere Räume, dass die Iolair keinen Grund gesehen hatten, ihnen das abzuschlagen, auch wenn sie selbst nicht an diese Götter glaubten.
Seit der Schattenlord die Herrschaft über den Krater angetreten hatte, wurde der Gebetsraum kaum noch benutzt. Die Blumen waren vertrocknet, das Obst verschimmelt.
»Du kannst ihn gern durchsuchen«, sagte Bricius, »wenn du Angst hast, ich könnte fliehen.«
Der ältere Mann trat halbherzig in den Raum und sah sich um.
»Lass ihn doch, Dave.« Der jüngere Mann war vor der Tür stehen geblieben. »Soll er in Ruhe zu seinen falschen Göttern beten. Der Schattenlord wird ihn schon dafür bestrafen.«
»Er hat recht«, stimmte nun auch der Elf zu. »Wir können ihn auch von hier draußen bewachen.«
Dave schien von der Idee nicht begeistert zu sein, wollte sich aber wohl auch nicht gegen seine Begleiter stellen.
»Also gut«, sagte er nach einem Moment. Bricius atmete innerlich auf. »Wie lange wird der Mist dauern?«
»Eine Stunde, vielleicht etwas länger.«
»Du hast dreißig Minuten.«
Dave verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Bricius stellte die Öllampe, die er mitgebracht hatte, auf die von Schnitzereien bedeckte Holzkommode, die als Altar diente. Dann bückte er sich und tastete die Unterseite mit der Hand ab. Seine Finger berührten Stoff. Vorsichtig, damit er nicht an einem Splitter hängen blieb und riss, zog er ihn hervor.
Es handelte sich um ein buntes Tuch, in das ein Stück Papier eingeschlagen war. Bricius faltete es auseinander und
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