Gesang des Drachen
mich geben oder jemanden wie mich.«
»Du unterschätzt sie!«, sagte er. »Eines Tages werden sie vor deiner Tür stehen, bewaffnet mit der Macht des Schattenlords, und du wirst ebenso hilflos sein wie alle oben in der Siedlung.«
Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Vorhang zurückgeschoben wurde und drei Männer eintraten. Es waren Iolair, die sich unterhielten und lachten. Einer von ihnen erstarrte, als er Bricius bemerkte. Rasch fasste er die anderen beiden am Arm, zischte ihnen etwas zu. Das Lachen erstarb. Die Männer drehten sich um und verschwanden im Gang. Der Vorhang schloss sich hinter ihnen.
»Du bist schlecht fürs Geschäft«, sagte Eroly.
»Nicht so schlecht wie der Schattenlord.«
Sie seufzte und goss Wein aus der Karaffe in ihren Kelch. »Es wird dir nicht gelingen, mir Angst einzujagen, also sag doch einfach, was du von mir willst.«
Bricius zögerte. Das Gespräch war anders abgelaufen, als er erwartet und erhofft hatte. Der Schattenlord schien Eroly unbeeindruckt zu lassen; die kühle Arroganz, mit der sie auftrat, wirkte nicht so, als interessiere es sie, wer an der Oberfläche des Kraters herrschte. Ihre Welt war davon losgelöst, wenn auch nicht vollständig, aber den Untergrund beherrschte sie.
Trotzdem setzte er zu einer Antwort an. »Du weißt vielleicht nicht, dass es ...« Er unterbrach sich. Natürlich wusste sie das. Er räusperte sich. »Wie du weißt, gibt es eine Widerstandsbewegung in Cuan Bé.«
Sie nickte.
»Wir haben uns bisher in den Hütten der Menschen getroffen, aber seit einige von uns rund um die Uhr bewacht werden, ist das zu gefährlich geworden. Wir brauchen einen Ort, an dem wir sicher sind, und jemanden, der es uns ermöglicht, dorthin zu kommen.« Er zog das Tuch aus der Tasche und legte es auf den Tisch. »Zum Beispiel damit.«
Eroly schwieg. Aus einer Tür neben der Bar traten einige Musikanten. Sie grüßten laut in den Raum herein, setzten sich auf einen Teppich und stimmten ihre Instrumente. Die schrägen Töne stachen in Bricius' Kopf.
»Das grenzt die Auswahl möglicher Verbündeter ein«, sagte Eroly schließlich. Ihr Lächeln war kalt. »Du wünschst bestimmt, du wärst früher netter zu mir gewesen.«
»Und du wirst dir noch wünschen, nicht so verdammt arrogant gewesen zu sein.« Bricius schob seinen Stuhl so heftig zurück, dass er umfiel. Die Musikanten unterbrachen ihre Probe.
Die Betrunkenen an der Bar drehten sich schwerfällig und ungeschickt um. »Gibt's ein Problem?«, lallte einer der beiden.
Bricius beachtete ihn nicht. Er hatte den Vorhang bereits erreicht und wollte ihn gerade wütend zurückziehen, als Erolys Stimme ihn aufhielt.
»Wenn das alles vorbei ist, will ich einen Sitz im Rat.«
»Was?« Bricius fuhr herum. Der Rat war für alle zivilen Angelegenheiten in der Siedlung zuständig. Dort wurde entschieden, wo Land für neue Felder gerodet werden sollte, welche Gebiete man für neue Behausungen freigab, wie Verbrecher bestraft wurden und Ähnliches. Die angesehensten Einwohner der Siedlung saßen im Rat, zwei Plätze besetzten die Iolair. Seit Rimmzahns Machtübernahme war er nicht mehr zusammengetreten.
Eroly war ebenfalls aufgestanden und kam nun langsam auf ihn zu. »Du hast mich verstanden. Ich will einen Sitz im Rat, damit ich für Einwohner sprechen kann, die sonst niemand anhört.«
Das Laub auf Bricius' Kopf raschelte laut. Unglauben mischte sich in Wut. »Du meinst Huren, Diebe und Trinker. Das kann ich nicht zulassen.«
Sie hob die Schultern und wandte sich ab. »Viel Vergnügen mit dem Wider...«
Bricius unterbrach sie. Er spürte, dass sie nicht nachgeben würde. »Einverstanden. Du bekommst deinen Sitz im Rat.«
Eroly sah ihn über ihre Schulter an, bevor sie sich wieder zu ihm umdrehte. Ihr Lächeln hätte ihn bezaubert, wäre er nicht so wütend gewesen.
»Wie schön«, sagte sie lächelnd. »Ich werde alles in die Wege leiten, um meinen Teil des Handels zu erfüllen.«
»Und wie lange wird das dauern?«, fragte Bricius, während er zum Tisch ging und das Tuch um seine Schultern legte, das er beinahe vergessen hätte.
»Ich werde es dich wissen lassen.«
Ihre Antwort brachte sein Laub erneut zum Rauschen, aber er schluckte den Ärger hinunter. Der Widerstand brauchte einen sicheren Treffpunkt und die Zauber, um dorthin zu gelangen. Er war Eroly ausgeliefert.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er. »Die halbe Stunde, die mir die Wachen zum Beten gegeben haben, ist fast vorbei.«
»Keine Angst. Wir
Weitere Kostenlose Bücher