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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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entrollte das Papier.
     
    Lege es um deine Schultern und komme zu mir. Man wird dich nicht bemerken.
    – E.
     
    Bricius steckte die Notiz in seine Hosentasche. Auch wenn er der Absenderin nicht ganz vertraute, so glaubte er doch, dass sie die Wahrheit schrieb. Schließlich hatte er über einen Boten um dieses Treffen gebeten, ein Umstand, den sie sicherlich genoss.
    Er legte das Tuch um seine Schultern. Das Laub auf seinem Kopf raschelte. Seine Umgebung veränderte sich nicht, und als er eine Hand hob, sah er sie so wie sonst auch.
    Sie ist eine Meisterin der Illusionszauber, dachte er. Sie weiß, was sie tut.
    Trotzdem ging er mit einem mulmigen Gefühl zur Tür. Er legte die Hand auf den Griff und zog sie einen Spalt weit auf. Die Männer, die davor standen, reagierten nicht. Derjenige, den die anderen Dave nannten, lehnte an der Wand und drehte gelangweilt einen Dolch zwischen seinen Fingern.
    »Ich werde Frans fragen, ob wir diesem Heiden erlauben sollten, zu seinen dämlichen Göttern zu beten«, sagte er. »Das ist doch Blasphemie, oder?«
    »Was ist Blasphemie?«, fragte der Elf.
    Der jüngere Mann lachte, Dave verdrehte die Augen. »Alles, was den Schattenlord beleidigt, du Pfeife. Weißt du denn gar nichts?«
    Der Elf senkte den Kopf. Bricius quetschte sich durch den Spalt und zog die Tür hinter sich zu. Sie quietschte in ihren Angeln, aber die Männer schienen das nicht zu hören.
    »Pass lieber auf, wie du dich benimmst«, sagte der jüngere Mann. »Du hast bestimmt seit einer Stunde nicht mehr gelächelt oder den Schattenlord gepriesen. Wenn das der Falsche mitkriegt, hast du Ärger am Hals.«
    Dave winkte ab. Im letzten Moment zog Bricius den Kopf zurück, sonst hätte die Hand sein Gesicht getroffen. Er fragte sich, ob der Zauber stark genug war, um eine solch direkte Berührung abzufangen, doch herausfinden wollte er das nicht. Es war beeindruckend genug, dass das Tuch nicht nur ihn, sondern auch seine unmittelbare Umgebung verbarg.
    Bricius ließ seine Bewacher hinter sich und verließ das Labyrinth. Als er draußen ankam, warf er einen Blick zum Himmel. Es war später Nachmittag, in einer halben Stunde würde die Sonne untergehen. Bis dahin musste er zurück sein.
    Er nahm das Tuch nicht ab, sondern zog es vor seiner Brust zusammen, damit der Wind es nicht davonwehen konnte. Niemand sollte bemerken, dass er ohne Wachen unterwegs war. Er ging den Weg hinunter und bog nach links in Richtung des Marktplatzes ab. Die Stände waren wieder dorthin zurückgekehrt, die Händler boten mit lauten Rufen ihre Waren an. Bricius bemerkte, dass keine Lebensmittel angeboten wurden, kein Getreide, kein Obst, kein Fleisch. Die beiden Garküchen hatten geschlossen.
    Sie haben die Kontrolle über unsere Nahrung übernommen, dachte Bricius. Als Nächstes werden sie bestimmen, wer etwas davon bekommt.
    Glaubenskrieger patrouillierten über den Platz. Bricius sah, dass sie manche Stände durchsuchten, vermutlich nach Lebensmitteln und anderen verbotenen Dingen. Auf dem Karren, den sie hinter sich herzogen, lagen Brote, aber auch Werkzeug und einige Rüstungsteile. Die Liste der Verkaufsverbote schien ständig größer zu werden.
    Bricius blieb am Rand des Platzes. Hinter einer der beiden Garküchen, zwischen kaputten Kisten und anderem Müll, hockte er sich hin und tastete den sandigen Boden ab. Irgendwo quiekte eine Ratte. Nach einem Moment fand er, wonach er gesucht hatte: einen Metallring und darunter Holz.
    Er stand auf und zog. Sand rutschte von der Falltür, dann schwang sie auf. Tageslicht erhellte eine steinerne, ausgetretene Treppe, die nach unten führte. Der Gang, in den sie mündete, wurde von Öllampen erhellt.
    Bricius sah sich kurz um, vergaß einen Moment lang, dass er für seine Umgebung unsichtbar war. Er stieg die Stufen nach unten und zog die Falltür, an deren Unterseite ein Lederriemen hing, hinter sich zu.
    Der Gang war abschüssig und roch süßlich. Das Öl in den Lampen musste parfümiert sein.
    Bricius zog das Tuch von seinen Schultern und steckte es in die Hosentasche. Sie denkt an alles.
    Hinter einer Biegung endete der Gang an einem schweren dunklen Vorhang. Dahinter hörte Bricius Stimmen und das Klirren von Flaschen. Er zog den Vorhang beiseite und betrat das Bordell. So früh am Abend war es noch fast leer. Nur zwei Betrunkene saßen an der dunklen Bar, die die gesamte hintere Wand des Gewölbes einnahm. Einige ärmlich gekleidete Elfen wischten Stühle und Tische ab. Sie bewegten sich

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