Gesang des Drachen
lautlos auf den tiefen Teppichen.
Eine Galerie umgab das gesamte Erdgeschoss. Geschwungene Steintreppen führten nach oben, die Kuppeldecke befand sich fast zwanzig Meter über Bricius. Er sah hinauf und konzentrierte sich, versuchte, die Illusion zu durchschauen.
Nach einem Augenblick verschwand die Kuppel, und die gesamte Decke rutschte nach unten. Nun bestand sie aus grob zusammengenagelten Brettern, die sich keine fünf Meter über Bricius entlangzogen. Balken stützten sie in regelmäßigen Abständen, die geschwungenen Steintreppen waren einfache Holzstiegen, die zu Verschlägen im oberen Stock führten. Die Elfen liefen über festgetretenen Lehm, gepolsterte Sessel verwandelten sich in Säcke, die man mit Stroh gefüllt und an die Wand gelehnt hatte. Anstelle der Bar sah Bricius alte Holzkisten, die mit Stricken zusammengehalten wurden. Es gab nur zwei Getränke: dünnes Bier, das direkt aus dem Fass ausgeschenkt wurde, und Krüge mit billigem Schnaps, gegen dessen Gestank auch die Öllampen nicht ankamen.
»Liegt es in deiner Natur, etwas Schönes zu zerstören?«, fragte eine Stimme.
Sie unterbrach Bricius' Konzentration, die Illusion kehrte zurück. Er drehte den Kopf und sah zur Treppe, die nun wieder aus Stein war, betrachtete die Elfe, die mit anmutigen Schritten die Stufen herunterschritt.
Ihre Schönheit raubte ihm fast den Atem. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht, dunkle Augen und schwarzes, langes Haar. Das Seidenkleid, das sie trug, betonte ihre Figur, war erotisch, ohne vulgär zu wirken.
»Manche von uns ziehen die Wahrheit einer Lüge vor, Eroly«, sagte Bricius.
Sie blieb vor ihm stehen und lächelte. Er bemerkte, dass sie keine Schuhe trug. »Und doch hast du dich einer Lüge bedient, um hierherzukommen. Das Ross, auf dem du sitzt, ist vielleicht ein wenig zu hoch für dich.«
»Eine Lüge ist ein Instrument, das man verwenden sollte, wenn es sein muss«, sagte Bricius steif. »Nicht weil es so leichter ist.«
»Du kannst mir glauben, dass meine Illusionen alles andere als leicht sind.« Sie wandte sich von ihm ab und klatschte einmal kurz in die Hände. Eine der Dienerinnen wischte eine Tischplatte ab und stellte zwei Stühle zurecht. »Möchtest du etwas trinken?«
Der Geruch des Schnapses stach in Bricius' Nase. »Nein danke.«
Eroly lachte. Es klang wie das Zwitschern eines Vogels. »Bring Wein aus meinem Privatbestand und zwei Kelche«, sagte sie zu der Dienerin. Die Elfe neigte den Kopf und verschwand durch eine schmale Tür.
Bricius wartete, bis Eroly sich gesetzt hatte, dann nahm er ihr gegenüber Platz. »Also schmeckt der billige Fusel, den du hier anbietest, nicht wie Honig für dich?«
»Leider nicht. Ich durchschaue meine eigenen Illusionen. Manchmal wünschte ich, das wäre anders.«
Sie schwiegen einen Moment. Die Dienerin brachte ein Tablett mit einer Karaffe Wein und zwei Kelchen und stellte beides auf dem Tisch ab.
Als sie außer Hörweite war, fragte Bricius: »Was meinst du, wie lange du das hier ...« Seine Geste schloss das gesamte Gewölbe ein. »... noch weiter betreiben kannst?«
Sie runzelte die Stirn, als verstünde sie seine Frage nicht. Er wusste, dass auch das eine Lüge war, ließ sich aber darauf ein.
»Ich meine, jetzt, da der Schattenlord den ganzen Krater in seine Gewalt gebracht hat. Früher oder später werden seine Anhänger herausfinden, was hier unten geschieht und welche Rolle du in dieser Siedlung spielst.«
Eroly – Bordellbesitzerin, Schmugglerin, Hehlerin, Informationshändlerin und vielleicht auch Mörderin. Bricius war fest davon überzeugt, dass kein Verbrechen in Cuan Bé ohne ihr Wissen begangen wurde. Lange Zeit hatten die Iolair sie als das größte Problem in der Siedlung betrachtet, doch die Machtübernahme durch Rimmzahn und seine Getreuen hatte alles verändert.
»Machst du dir etwa Sorgen um mein Wohlergehen?«, fragte Eroly.
»Es war nur eine Frage.«
Sie sah ihn über den Rand ihres Weinkelches an. »Du hast mich nicht aufgehalten, und diese Verrückten mit ihren Kopftüchern werden das auch nicht.«
»Sie kontrollieren die Nahrung.«
»Sie glauben, dass sie die Nahrung kontrollieren, das ist etwas anderes.« Eroly stellte den Kelch ab. »Das ist das Problem mit solchen Leuten. Sie verbieten etwas und denken, dass es damit verschwindet, aber in Wirklichkeit landet es nur bei denjenigen, die wie ich bereit sind, Bedürfnisse zu erfüllen. So lange es Wesen mit Bedürfnissen in Cuan Bé gibt, wird es auch
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