Gesang des Drachen
sehen uns ja schon bald wieder.«
Ihr helles, melodisches Lachen folgte ihm bis in den Gang.
Es war alles gelogen.
Als sich der Vorhang hinter Bricius schloss, atmete Eroly erleichtert auf. Ihre Knie zitterten, sie musste sich setzen. Sie hatte Bricius vorgespielt, es sei ihr egal, wer über Cuan Bé herrschte, aber in Wirklichkeit konnte sie vor Sorge kaum noch schlafen. Seit sie die Macht des Schattenlords bei dem gescheiterten Angriff auf ihn erlebt hatte, wusste sie, dass ihre Zauber im Vergleich dazu nur Spielerei waren. Sollte er seine Herrschaft etablieren, würde sie alles verlieren, was sie sich so mühsam und schwer erkämpft hatte – inklusive ihres Lebens.
»Das wäre beinahe schiefgegangen«, sagte Kedra, ihre Dienerin und Vertraute. Die junge Elfe setzte sich neben sie und nahm einen Schluck Wein aus dem Kelch, den Bricius nicht angerührt hatte. »Einen Sitz im Rat?«
Eroly lächelte. »Ich wollte ihn nur ein bisschen reizen.«
Der Rat, der ohnehin keine echte Macht besaß, war ihr egal, aber sie wusste, dass Bricius und die anderen Iolair großen Wert auf ihn legten. Sie waren Krieger. Hierarchien lagen ihnen im Blut.
»Er hat mir in den letzten Jahren so viel Ärger gemacht, dass er das verdient hatte«, fuhr sie fort.
»Und wenn er gegangen wäre?«
»Wohin?« Eroly sah Kedra an. »Dass er mich um ein Treffen gebeten hat, beweist, wie groß die Probleme des Widerstands sind. Sie brauchen uns ebenso sehr wie wir sie.«
Sie warf einen Blick in das leere Gewölbe. Seit Rimmzahn regierte, liefen die Geschäfte schlecht. Die wahren Gläubigen waren so darauf fixiert, ihrem Messias zu gefallen, dass sie alles andere vergaßen, während die Mitläufer und Zweifler zu eingeschüchtert waren, um sich noch in Erolys Nähe zu wagen.
Ein Tuchhändler, der zu ihren besten Stammkunden gehörte, hatte gesagt: Ich kann dich nicht mehr aufsuchen. Ich könnte mein Geschäft verlieren, wenn mich jemand hier sieht.
Kedras Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Dann gehören wir also jetzt zum Widerstand.«
»Ich konnte das nicht ansprechen, er wäre nur misstrauisch geworden.« Eroly drehte den Kelch zwischen ihren Fingern. »Aber er wird schon bald feststellen, dass er meine Verbindungen und meine Informationen benötigt. Ich will dazugehören, doch es werden Taten nötig sein und nicht nur Worte.«
Sie konnte Bricius nicht verdenken, dass er ihr misstraute. Wenn sie darüber nachdachte, glaubte sie, dass sie noch nie ein ehrliches Wort an ihn gerichtet hatte. Deshalb hatte sie ihm Gleichgültigkeit vorgaukeln müssen. Hätte sie Interesse gezeigt und ihm ohne Gegenleistung gegeben, was er wollte, wäre er nie das Risiko eingegangen, sich mit dem Rest der Widerstandsbewegung in ihrem Bordell zu treffen. Er hätte an eine Falle geglaubt.
»Was ist mit den Kindern?«, fragte Kedra. »Kümmert sich der Widerstand um ihre Befreiung?«
Eroly hob die Schultern. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie können sich ja kaum frei bewegen, wie sollten sie da irgendwelche Höhlen durchsuchen?«
»Aber du bringst dich nicht in Gefahr, oder?« Kedra legte ihre Hand auf Erolys. »Ich weiß, dass du dir Sorgen um sie machst.«
Das Schicksal der Kinder ging Eroly tatsächlich nahe. Als kleines Mädchen war sie von ihren Eltern in die Sklaverei verkauft worden und hatte sich erst nach Jahren befreien können. Sie hatte ihrem Herrn und Peiniger ein Messer in den Hals gestoßen und war nur mit der Kleidung, die sie am Körper trug, geflohen. Sie ging immer noch barfuß, um nicht zu vergessen, wie arm sie einst gewesen war.
Auch an die Furcht in diesen ersten Nächten, nachdem sie die Hütte ihrer Eltern im Nebel verschwinden sah, erinnerte sie sich. Kein Kind hatte es verdient, so etwas zu erleben.
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich habe bereits eine Idee, wen ich um Hilfe bitten kann. Ich muss nur noch herausfinden, wo genau er sich versteckt hat.«
Kedra hob die Augenbrauen. »Versteckt hat? Von wem redest du denn?«
Eroly sah sich um. Obwohl niemand in ihrer Nähe stand, beugte sie sich vor und gab ihre Antwort flüsternd: »Erinnerst du dich an diesen gut aussehenden Menschenkrieger, der zu den Iolair gehört?«
»Deochar?«, fragte Kedra überrascht. »Ich dachte, er wäre aus Cuan Bé geflohen.«
»Aus Cuan Bé schon, aber nicht aus dem Krater.« Eroly lächelte. »Ich werde ihn finden.«
Sie hatte kurz darüber nachgedacht, Bricius mit dieser Information zu locken, denn sie war sich sicher, dass er
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