Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Stimme.
    Cedric sah Simon und Emma an, wartete deren knappes Nicken ab, bevor er antwortete: »Du kannst gehen. Wir werden dich nicht mehr als Boten einsetzen, aber wenn Maurice oder jemand anders dich noch einmal unter Druck setzt, kommst du sofort zu mir, hast du das verstanden?«
    Peddyr sprang so schnell auf, dass der Stuhl, auf dem er saß, beinahe umgekippt wäre. »Verstanden«, stieß er hervor. »Vielen, vielen Dank.«
    Cedric zog die Tür für ihn auf und sah dem Jungen nach, bis er am Waldrand verschwand.
    »Das erklärt, warum Rimmzahn Bricius und mich nicht bestraft hat«, sagte er, als er die Tür wieder schloss. »Er will keine offene Konfrontation mit dem Widerstand riskieren, solange seine Herrschaft über den Krater noch nicht vollkommen ist.«
    Emma seufzte leise. »Wenn er wüsste, wie armselig dieser Widerstand ist, würde er sich diese Sorgen nicht machen.«
    »Das könnte sich bald ändern«, sagte Simon.
    Cedric sah ihn überrascht an. »Was meinst du damit?«
    »Darüber werden wir reden, wenn wir uns das nächste Mal mit Bricius treffen. Ich muss noch über ein paar Dinge nachdenken.«
    »Und in welche Richtung gehen diese Dinge?«, fragte Emma, aber Cedric wusste, dass sie keine Antwort darauf bekommen würde. Simon bereute wahrscheinlich schon, dass er überhaupt etwas gesagt hatte. Er drängte nicht mehr auf sofortige Taten, seine Wut schien verraucht zu sein. Cedric war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel, denn ein wütender Simon war auch ein aktiver Simon.
    »Ihr werdet es erfahren, habt ein wenig Geduld.«
    »Unsere Geduld ist hier nicht das Problem«, sagte Cedric. »Frag dich lieber, ob der Schattenlord dir Zeit geben wird, bis du zu Ende gedacht hast.«
     
    Scham und Erleichterung, das waren die Gefühle, die Peddyr beinahe überwältigten, während er zum Fluss hinunterlief. Scham, weil er die Enttäuschung in Cedrics Stimme gehört hatte, Erleichterung, weil er wider Erwarten sein Geständnis überlebt hatte und seine Freunde nun doch nicht vor den Iolair fliehen mussten. Vielleicht würden Duibhin und Ciar ihm sogar verzeihen.
    In der Dunkelheit erschien ihm der Fluss wie ein breites schwarzes Band. Peddyr suchte am Waldrand einige Zweige zusammen, dann betrat er den Ufersand und schichtete sie zu einem Feuer auf. Er hatte keine Angst mehr, entdeckt zu werden. Die Nächte in der Dunkelheit waren vorbei.
    »Marcas!«, rief er, während er das Feuer anzündete. »Schläfst du schon?«
    Ich sagte doch, ich würde auf dich warten. Kann ich dir jetzt etwas zeigen?
    »Natürlich.«
    Wasser plätscherte, dann schoben sich Marcas' dunkle Umrisse aus dem Fluss. Peddyr sah die Kiste, die er ans Ufer hievte, und stand auf.
    »Warte. Ich helfe dir.«
    Nicht nötig. Sie ist nicht schwer.
    Er klang so stolz, als habe er etwas ganz Besonderes entdeckt. Marcas' Fundstücke lösten bei seinen Freunden nur selten Begeisterung aus. Meist handelte es sich um seltsam geformte Steine oder bunte Muscheln, gelegentlich auch mal um einen abgenagten Tierschädel. Eine Kiste war ungewöhnlich.
    »Was ist da drin?«, fragte Peddyr, als Marcas die Kiste neben das Feuer stellte.
    »Weiß nicht.«
    Peddyr tastete das aufgequollene Holz ab. Die Kiste war so lang wie sein Arm und etwa kniehoch. Man hatte sie zugenagelt, ein Schloss gab es nicht. Er zog sein Messer aus dem Gürtel und hebelte sie Brett um Brett auf.
    »Wo hast du sie her?«, fragte er währenddessen.
    Aus der Höhle mit den Kindern.
    Peddyr hielt inne. »Du warst in der Höhle? Marcas, so etwas darfst du nicht tun. Das ist viel zu gefährlich.«
    Niemand hat mich gesehen. Und ich habe die Kiste mitgebracht.
    Er war so stolz, dass Peddyr ihn nicht noch mehr zurechtweisen wollte. Mit der Messerklinge hebelte er zuerst eines der Bretter heraus, dann ein zweites und drittes. Er drehte die Kiste zum Feuer – sie war erstaunlich leicht – und sah hinein.
    Und?
    Peddyr runzelte die Stirn. »Was wollen die denn damit?«
    Er griff in die Kiste und zog eine Handvoll triefend nasser grüner Blätter heraus. Sie waren klein, kreisrund und rochen nach süßem Flusswasser.
    Was ist das? Marcas klang aufgeregt.
    »Kummerkraut. Die Bauern reißen es aus, wenn sie es auf den Weiden finden, weil das Vieh daran sterben kann.«
    Aber die Kinder sind nicht tot, nur still.
    Peddyr sah ein Bild in seinem Kopf. Es musste aus der Höhle stammen, denn er sah Kinder in Zweierreihen, die stumm und mit leeren Gesichtern ins Nichts starrten. An den Wänden der Höhle

Weitere Kostenlose Bücher