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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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nach der Andacht begleiten zu dürfen, und diejenigen, denen es gewährt wurde, stiegen in der Achtung der Gläubigen. Frans hatte sich gemacht, seit er zum wahren Glauben gekommen war, aber es gab einen anderen, der die Anerkennung dringender benötigte als er.
    »Maurice«, sagte Rimmzahn. »Willst du mit mir gehen?«
    Eifrig wie ein Welpe, der die Stimme seines Herrn hörte, sprang Maurice auf. »Wenn du mir die Ehre gewähren möchtest, werde ich sie bestimmt nicht ausschlagen, Herr.«
    Rimmzahn winkte ab. »Norbert. Wir kennen uns zu lange für solche Förmlichkeiten.«
    »Ich danke dir ... Norbert.« Maurice schloss sich ihm an. Gemeinsam gingen sie durch die Menge. Manche Gläubigen küssten Rimmzahns Hand, andere baten ihn um seinen Segen. Sie brauchten fast eine Stunde, bis sie die Lichtung hinter sich gebracht hatten und sich auf dem Weg zum Dorf befanden.
    »Ich bewundere deine Geduld, Norbert«, sagte Maurice. »Diese Menschen verlangen sehr viel von dir.«
    Rimmzahn lächelte den Säugling an, den eine Mutter ihm ins Gesicht hielt. »Ich gebe es gern«, sagte er, ohne stehen zu bleiben. »Wenn man bedenkt, welch großes Glück ich erfahren durfte, dann ist es doch das Mindeste, ein wenig davon zurückzugeben, und sei es nur durch ein Lächeln.«
    Maurice sah zu ihm auf. Er war größer als Rimmzahn und doch wirkte er auf ihn kleiner, als habe die Berührung des Schattenlords nicht nur seinen Geist über andere erhoben, sondern auch seinen Körper.
    »Spricht er mit dir, Norbert?«, fragte Maurice nach einem Moment. Obwohl Rimmzahn ihn bereits vor einigen Tagen wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen hatte, waren ihre Gespräche bisher eher an der Oberfläche geblieben. Er führte das auf Maurices natürliche Scheu in der Gegenwart seines Propheten zurück.
    »Ja, er spricht oft zu mir.«
    »Was sagt er?«
    Rimmzahn hob den Kopf und betrachtete eine Wolke, die leicht und weiß über einen blauen Himmel glitt. Sie erinnerte ihn an sich selbst: einsam, aber auf dem Weg in die Unendlichkeit. »Die Worte, die nicht nur für mich gedacht sind, gebe ich an euch weiter.«
    »Verzeih, ich wollte nicht aufdringlich sein.« Maurice zupfte nervös an dem Ärmel seiner Jacke. »Ich möchte nur mehr über unseren Messias erfahren.«
    »Und er wird sich dir offenbaren, wenn die Zeit reif ist.« Rimmzahn blieb stehen. Ein Bauer, der zwei Ziegen an Stricken hinter sich herzog, verneigte sich tief, bevor er weiterging. »Ich bin froh, dass du in den Kreis der Gläubigen zurückgekommen bist. Du hast einen Fehler begangen, manche würden sagen, einen unverzeihlichen Fehler, aber du bemühst dich, ihn auszumerzen. Mit jedem Schritt auf diesem steinigen Weg wird dein Glaube stärker werden.«
    »Ich danke dir für deine Gnade.« Maurice lächelte. »Sie bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    Der Pfad führte sie an leeren Hütten vorbei. Seit Rimmzahn die Nahrungsvergabe übernommen hatte, kamen immer mehr Dorfbewohner auf die Lichtung. Sie lauschten seinen Worten, aßen das, was er ihnen schenkte, und kehrten einzig zum Schlafen in ihre Hütten zurück. Die Idee, die der Schattenelf ihm eingeflüstert hatte, trug Früchte. Wenn es so weiterging, würden bald nur noch die Sucher und ein paar Iolair den einzig wahren Gott ablehnen.
    »Konntest du noch mehr über diese irregeleitete Widerstandsbewegung herausfinden?«, fragte Rimmzahn.
    »Nichts Konkretes, aber deine Taktik zeigt Erfolg. Da du Bricius und Cedric nicht bestraft hast, glauben nun manche, dass sie in Wirklichkeit längst auf deiner Seite sind. Es herrscht Misstrauen.«
    »Ich habe nur deinen Vorschlag umgesetzt«, sagte Rimmzahn. Anfangs hatte er sich gegen die Idee, seinen Gegnern mit Milde zu begegnen und ihnen sogar gelegentlich zu gestatten, ihren Bewachern zu entkommen, gewehrt. Doch Maurice hatte recht behalten. Milde führte zu Misstrauen und scheinbare Freiheit zu Leichtsinn. Sie wussten nun mehr über die Widerstandsbewegung als je zuvor.
    Am Rande des Marktplatzes blieb Rimmzahn stehen. Wenige Tage zuvor hatte sich dort noch das Zentrum des Dorflebens befunden, doch viele der Stände hatten mittlerweile geschlossen. Es war nur wenig los. Die Händler standen hinter ihren Auslagen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und starrten missmutig ins Leere. Die wenigen Elfen und Menschen, die an den Ständen vorbeigingen, wirkten gelangweilt. Kaum jemand kaufte etwas. Nahrungsmittel gab es nur noch in der Siedlung der

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