Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
finden lassen. Er hatte nicht geglaubt, dass irgendetwas seine Seele aufhellen könnte, aber als er ihr gelauscht hatte, war es gewesen, als sei erstmals in seinem Leben die Sonne hervorgekommen und schiene auf ihn herab. Für ihn gab es keine Erlösung. Das erwartete er nicht, und er wollte es auch gar nicht, aber er hatte diese wenigen Minuten des Friedens und der inneren Ruhe ausgekostet. Sie hatte ihn vor dem Wahnsinn bewahrt. Er hätte sie in Ruhe gelassen und einfach nur ihre Musik gesammelt, aber ihre Pfade hatten sich unter den unwahrscheinlichsten Umständen gekreuzt. Nachdem er sie jetzt gesehen hatte, in ihrer Gegenwart gewesen war und ihre Wärme auf seiner Haut gefühlt hatte – auf seiner Seele –, gab es kein Zurück mehr. Er brauchte sie als eine Barriere
zwischen sich selbst und den erbarmungslosen Schatten seines Lebens.
Seine Finger schlangen sich in die Seide ihres Haares. Sie war ein Schock für ihn gewesen, obwohl er geglaubt hatte, ihn könnte schon lange nichts mehr schockieren. Sie war kein vollendeter Engel aus himmlischen Gefilden, zu dem er keinen Draht hatte – sie war menschlich. Teuflisch sexy. Kokett. Sie konnte einen Mann innerhalb von Sekunden in den Wahnsinn treiben. Und sie war von glühender Loyalität beseelt. Eine Tigerin, wenn es um ihre Familie ging, und er hatte begonnen, über diesen speziellen Charakterzug nachzugrübeln, weil er sich davon angezogen fühlte, angezogen von ihrer Fähigkeit, jene, die sie liebte, zu beschützen. Sie wusste, was es bedeutete, wenn man das Verlangen verspürte, alles zu tun, was erforderlich war, um jene zu schützen, die schwächer waren als sie. Und er brauchte ganz dringend jemanden, der ihn rettete. Der ihn liebte. Der sich so glühend für ihn einsetzte, wie Joley Drake es tat, wenn es ihre Schwestern zu schützen galt.
In einem Revolverblatt war ein Foto von ihr abgebildet gewesen. Die Bildunterschrift hatte gelautet: Joley in ihrem Liebesnest ertappt. Er war wütend gewesen, nicht desillusioniert; er hatte gewusst, dass sie kein Engel war. Ihn hatte in Wut versetzt, dass ihr Liebhaber sie nicht vor dieser Form von Bloßstellung bewahrt hatte. Dann hatte er herausgefunden, dass sie es gar nicht gewesen war, sondern dass sie sich das Haar gefärbt und die Schuld auf sich genommen hatte, um eine ihrer Schwestern vor üblem Gerede zu bewahren, das deren beruflicher Weiterentwicklung hätte schaden können. In dem Moment hatte sie ihm das Herz aus der Brust gerissen und es für alle Zeiten in ihren Gewahrsam genommen.
Es führte kein Weg daran vorbei, dass er Joley wollte. Sein Körper schmerzte, wenn er an sie dachte. Und wenn sie sang – oder sprach – oder einfach nur stumm dastand –, dann stellte er fest, dass er so erregt war wie in seinem ganzen Leben
noch nicht. Sie brachte ihn mit Zärtlichkeit und Behutsamkeit in Kontakt. Gefühle, die es in seinem Leben nie gegeben hatte, noch nicht einmal in seiner Kindheit. Durch sie hatte er auch gelernt zu lachen. Sie machte ihn zu einem besseren Menschen. Und sie hatte seine Verzweiflung durch Hoffnung ersetzt.
Ilja senkte noch einmal den Kopf und hauchte einen Kuss auf ihren Wangenknochen. »Das Leben mit dir wird nie langweilig sein.« Sie hatte aber auch die schlechteste Seite seiner Persönlichkeit ans Licht gebracht, das Bedürfnis nach Dominanz und Herrschaft. Auch er besaß Beschützerinstinkte, die seinen Kampfgeist weckten, und seine Entschlossenheit war grenzenlos. Ilja gewann immer, koste es, was es wolle, und er würde Joley gewinnen. Er hatte sie gezeichnet, weil er sich nicht davon abhalten konnte, es zu tun, und das hatte ihm einen teuflischen Schrecken eingejagt. Es kam selten vor, dass er die Kontrolle über sich verlor, und als er sie mit seinem Mal versehen hatte, hatte er gewusst, dass sich das nicht mehr rückgängig machen ließ. Sie waren unwiderruflich aneinander gefesselt.
Er rutschte etwas tiefer hinunter, um neben ihr zu liegen und seinen Hinterkopf auf das Kissen zu betten. Sie rührte sich, und ihre Wimpern flatterten, bevor sie sich hoben. Ihre Augen, groß, dunkel und prachtvoll, blickten lächelnd zu ihm auf. Sein Herz wäre fast stehen geblieben.
»Schlaf jetzt, Ilja. Ich sorge dafür, dass dir nichts passieren kann.« Sie schlang ihm einen Arm um die Taille und rückte näher, um ihren Kopf auf seine Brust zu legen.
Sein Herz tat weh. Es war ein echter Schmerz, der sich an dem in seinen Lenden messen konnte. Sogar im Schlaf hatte sie sein
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