Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
und keiner hätte es gemerkt, bevor es zu spät gewesen wäre. Es waren viel zu viele. Du bist so schnell zu Boden gegangen, und niemand hatte die Absicht, dir zu helfen; sie wollten alle Bilder von dir, wie du im Schmutz liegst. Ich wette, in den Schlagzeilen wird stehen, du seist betrunken gewesen oder hättest Drogen genommen.«
Joley hätte am liebsten etwas zertrümmert. Das war eines ihrer größten Probleme – es gab Aspekte in ihrem Leben, auf die sie nicht den geringsten Einfluss hatte, und sie konnte es nicht mehr mit Humor nehmen. Sie hatte Geld, jede Menge, mehr, als sie jemals in ihrem ganzen Leben ausgeben konnte. Natürlich war ein großer Teil davon guten Zwecken zugeflossen; schließlich hatte sie Libby zur Schwester, und Libby sorgte dafür, dass sie alle bestens über Umweltfragen und humanitäre Projekte informiert waren. Aber mit Geld konnte sie keine Freiheit erlangen, ganz im Gegenteil – je größer ihr
Ruhm geworden war, desto mehr hatte sich ihre Welt eingeengt, und es gab immer weniger Menschen, denen sie vertrauen konnte.
Sie sang liebend gern, und sie gab liebend gern Konzerte, aber sie hatte es bisher nicht geschafft, zu einer halbwegs zufriedenstellenden Einigung mit den Paparazzi zu gelangen, die ihr einen gewissen Freiraum ließ, und sie fühlte sich derart bedrängt, dass es ihr zeitweilig über den Kopf wuchs. Zum zweiten Mal in ihrer Karriere spielte sie mit dem Gedanken auszusteigen. Einfach alles hinzuwerfen. Sie hatte keine Ahnung, was sie dann tun würde, aber dieses Leben machte sie körperlich krank. Sie konnte kaum noch schlafen, und nicht einmal ihre intensiven sportlichen Betätigungen halfen.
Iljas Hände lagen warm auf ihren Knien, und sie wusste, dass er die kleinen Kratzer heilte. Seine Energie war stark. Sie fühlte seine Glut, und einen Moment lang brach weißes Licht durch seine dunkle Aura. Sie entdeckte unzählige Farben, und dann zogen die Schatten vor ihn wie ein Schleier und verhüllten seinen wahren Charakter vor ihr, obwohl sie das Gefühl hatte, durch all diese kleinen Einblicke sähe sie allmählich den wahren Ilja.
»Danke.« Ihre Stimme war zu intim, und sie nahm wahr, dass Brian sie scharf ansah. Sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Danke, dass du uns da rausgeholt hast, Ilja, ich … wir wissen es wirklich zu schätzen. Aber jetzt müssen wir uns schleunigst an den Soundcheck machen. Uns bleiben nur noch gut zwei Stunden bis zu dem Auftritt heute Abend. Wo ist Jerry?«
»Zur Stelle.« Jerry kam von hinten auf sie zu. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Sie nickte. »Sind sie alle rausgeschafft worden?«
»Für den Moment, ja.« Jerry hielt Ilja seine Hand hin. »Nett von Ihnen, dass Sie eingesprungen sind. Danke. Ich würde mich gern später mit Ihnen unterhalten, falls Sie ein paar
Minuten erübrigen können.« Mit einer ausholenden Bewegung seiner Hand beschrieb er das Geschehen. »Im Moment habe ich zu tun, aber können wir uns anschließend mal zusammensetzen ?«
Ilja nickte.
Joley rutschte von dem erhöhten Podest und klopfte sich den Schmutz aus der Kleidung. »Jerry, ruf alle rein. Wir müssen über die Vorfälle reden, die sich ereignet haben …« Neben ihr geriet Ilja in Bewegung, aber nicht etwa physisch; kein Muskel rührte sich, doch sie fühlte innerlich die Heftigkeit seiner Ermahnung. Sie seufzte. »Um vor dem Auftritt alle zu beruhigen.«
Du glaubst wohl, ich sei dir eine Erklärung schuldig. Ich bin in keiner Hinsicht auf deine Zustimmung angewiesen. Aber sie hatte ihr Vorhaben erklärt und war wütend auf sich selbst, weil sie es getan hatte. Sie gewöhnte sich allmählich an seine despotische Art, was nur heißen konnte, dass er sie zermürbte und ihren Widerstand brach.
Sie bedachte Ilja mit einem missmutigen Blick und wandte sich wieder den Dingen zu, die erledigt werden mussten. »Diese Menschen haben Geld bezahlt, um uns zu sehen, und wir müssen in der Lage sein, ihnen einen guten Auftritt zu bieten, wenn wir heute Abend spielen.«
Du undankbares kleines Biest.
Er nahm ganz einfach ihre Hand und rieb mit seinem Daumen ihre Handfläche. Ihr Körper wand sich fast vor Lust. Schauer liefen ihr über den Rücken, ihr Schoß zuckte, und ihre Brustwarzen strafften sich. Er verzog keine Miene und vermittelte ihr doch den Eindruck eines heimtückischen Grinsens. Und dann ging er einfach fort und ließ sie stehen.
Joley verlor den Faden und wusste nicht mehr, was sie gerade hatte sagen wollen. Sie stand ganz
Weitere Kostenlose Bücher