Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)

versuchte, dieses Wissen zu verarbeiten. Inmitten von Drohungen, Mord und dem Gedränge der Paparazzi gab Ilja ihr ein Gefühl von vollkommener Sicherheit. Er stieß niemanden an, drängte keinen aus dem Weg und drohte auch niemandem. Die Leute standen vor ihm, und er sah durch sie hindurch und lief dann quer durch die Mitte. Etwas an der Haltung seiner Schultern, der ausdruckslosen Maske auf seinen markanten Zügen und dem kalten Blick in seinen Augen brachte selbst
die abgehärtetsten Vertreter der Regenbogenpresse dazu, ihm aus dem Weg zu gehen.
    Ilja riss die Tür zu ihrem Bus auf und stieß sie hinein und an die Wand. »Bleib hier, während ich eine schnelle Durchsuchung vornehme.«
    Die Tür zwischen dem Fahrer und ihrem privaten Bereich des Busses war bereits geschlossen, was hieß, dass Steve es mit dem Aufbruch eilig hatte. Er reagierte gereizt auf die Sensationsgier der Paparazzi, und daher überraschte es Joley nicht, als der Bus sofort losfuhr. Ilja bewegte sich schnell voran und überprüfte jedes denkbare Versteck, darunter Orte, die sie niemals in Betracht gezogen hätte. Als sie den Mund aufmachen wollte, schüttelte er den Kopf und machte sich mit einem kleinen Gerät in seiner Hand an eine zweite Durchsuchung.
    »Die Luft ist rein«, sagte er und gab ihr den Weg frei. Joley warf sich auf das Sofa. »Danke. Sie müssen Wind davon bekommen haben, dass wir angehalten haben. Jemand in dem Lokal muss sie verständigt haben. Jetzt bekommen sie ihre fünf Minuten Ruhm und können Lügen über uns erzählen. Oder sich aus unseren Gesprächen etwas zusammenreimen. «
    » Wer hat deine Handynummer?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich muss sie laufend ändern. Normalerweise haben nur Jerry, die Band und meine Familie sie. Einige wenige Freunde. Ich sorge immer dafür, dass Trish meine Nummer hat, und ich glaube, ich habe sie auch Lisa gegeben. Ich wollte sie kürzlich ändern, weil Logan sie der Mutter von diesem übergeschnappten Groupie gegeben hat.«
    »Das sagt mir nichts.«
    Sie seufzte. »Logan hatte dieses kurze Abenteuer mit einem Groupie namens Lucy Brady. Sie war total durchgedreht, und damit meine ich ernsthaft unzurechnungsfähig. Sie hat unglaublich viele Szenen in der Öffentlichkeit gemacht. Er hat ein paar Mal mit ihr geschlafen, und dann hat er sie fallen lassen,
als er begriffen hat, wie verrückt sie ist. Daraufhin ist sie mehrmals mit einer kaputten Flasche auf ihn losgegangen. Kurze Zeit später hat sich herausgestellt, dass sie schwanger war, und sie hat damit gedroht, sich umzubringen. Wir haben versucht, Logan klarzumachen, dass er sich von ihr fernhalten soll, aber er hat sich verantwortlich gefühlt. Während der Schwangerschaft ist sie immer wieder in Anstalten eingewiesen worden, und am Ende hat Logan einen Anwalt eingeschaltet, und Lucy hat auf das Baby verzichtet. Sie wollte es nicht haben, aber sie hat es ausgetragen, obwohl sie es einmal aus ihrem Bauch rausschneiden wollte, mal wieder mit einer Flasche mit abgebrochenem Hals. Das war wirklich schlimm.«
    »Und sie hat deine Nummer?«
    Sie verdrehte die Augen. »Dieser Tonfall ist unnötig. Ihre Mutter hatte die Nummer, nicht Lucy. Ich hatte nie etwas mit Lucy zu tun. Sie war total fixiert auf Logan, bis er ihr gesagt hat, dass er verheiratet ist.« Sie lehnte ihren Kopf an die Polster zurück. »Himmel noch mal, das klingt wie eine Highschool-Soap und nicht wie unser Leben.«
    » Wieso willst du eigentlich so leben?«, fragte Ilja. »Du hast alles, was du dir irgend wünschen könntest. Und eine Familie, die dich liebt und für dich da ist. Wieso willst – oder brauchst – du all das?«
    Joley holte scharf Luft. Die Verachtung in seiner Stimme tat weh. »Du kennst mich nicht, Ilja. Du bildest dir nur ein, mich zu kennen. Es mag sein, dass ich manchmal verwirrt bin und darum ringen muss, in meiner Mitte zu bleiben, aber ich weiß, wer ich bin. Ich liebe Musik. Und ich lebe dafür, weil meine Arbeit sinnvoll ist. Und ab und zu gelangt ein Brief in meine Hände oder jemand kommt nach einem Konzert auf mich zu und sagt mir, dass meine Songs für sie oder ihn Bedeutung haben. Was ist mit dir, Ilja? Du bist so gut darin, andere zu verurteilen. Liebst du das, was du tust? Bist du sicher, das, was du tust, ist die richtige Wahl für dich?«

    »Ich hatte keine Wahl. Ich tue, was ich tun muss, um zu überleben.« Er setzte sich auf den Sessel ihr gegenüber und streckte die Beine aus. »Deine Stimme hat mein Leben verändert. «
    Dieses