Geschäfte mit der Ewigkeit
hatte er nur falsch gemacht?
Er war stundenlang auf den Knien gelegen, und der Sand und das Flußwasser brannten seinen Körper aus. Überall schälte sich die Haut. Er hatte geweint und gebetet und den Herrn angerufen, bis seine Beine gefühllos wurden und seine Stimme heiser klang. Er hatte nur von Flußmuscheln, Beeren und Wasserkresse gelebt, bis sein Körper auf Haut und Knochen zusammengeschrumpft war. Sein Magen schmerzte vor Hunger.
Und nichts geschah.
Er erhielt kein Zeichen.
Gott sah weiterhin über ihn hinweg.
Und das war noch nicht alles. Er hatte die letzten Reste der beiden alten Kiefernstümpfe aufgebraucht, die er am Rand der Insel in einem Weidengebüsch gefunden hatte. Er hatte am Vortag die letzten Wurzeln ausgegraben, die sich erreichen ließen. Und nun mußte er sich auf das spärliche Treibholz verlassen, das hin und wieder angeschwemmt wurde, und auf die abgestorbenen Weidenzweige, die zum größten Teil wertlos waren, weil sie zu schnell niederbrannten.
Als wären diese Qualen nicht genug! Doch nun war auch der Mann mit dem Kanu wieder aufgetaucht, der den ganzen Sommer über am Fluß herumgeschnüffelt hatte, der ihn manchmal angeredet hatte und nicht verstehen konnte, daß ein echter Eremit mit niemandem sprach.
Er war vor den Menschen geflohen. Er hatte dem Leben den Rücken zugekehrt. Er war an diesen Ort gekommen, wo er vor den Menschen und der Welt sicher zu sein glaubte. Aber die Welt ließ sich nicht abschirmen. Sie kam in Gestalt eines Mannes mit einem Kanu.
Russell stand langsam auf und rieb sich so gut wie möglich den Sand von den Beinen.
Er sah wieder das Kreuz an und erkannte, daß er ganz anders vorgehen mußte. Am besten schwamm er ans Ufer und suchte dort ein langes Stück Treibholz, um einen größeren Längsbalken zu machen. Diesen konnte er tiefer in den Sand rammen. Dann war die Spitze vielleicht nicht mehr so schwer.
Er ging über die Sandbank zum Ufer und kniete nieder. Mit ein paar Handgriffen wusch er sich das Gesicht. Er blieb auf den Knien und sah auf das neblig-graue Wasser hinaus, das träge am gegenüberliegenden Wald vorbeifloß.
Er hatte nichts falsch gemacht, überlegte er. Er hatte alle Regeln des Eremitentums befolgt. Er war zu einem öden Ort in der Wildnis gekommen und hatte sich auf dieser Sandbank inmitten des Flusses isoliert, wo niemand und nichts ihn ablenken konnte. Nur mit seinen Händen hatte er das Kreuz gebaut und aufgerichtet. Er war am Verhungern. Er hatte in Demut gebetet. Er hatte geweint und gebetet, er hatte das Fleisch und den Geist gedemütigt.
Nur eines war noch nicht erfüllt. Ein einziger Faktor. Und er wußte, daß er während all der Wochen den Gedanken abgewehrt hatte, daß er sich davor verschlossen hatte. Er hatte versucht, ihn tief in seinem Innern zu vergraben, ihn aus dem Bewußtsein zu tilgen.
Aber er tauchte immer wieder auf und ließ sich nicht verdrängen. Hier, in der Stille des heraufziehenden Tages, grinste er ihn wieder an.
Der Transmitter in seiner Brust!
Konnte er nach der Ewigkeit des Geistes suchen, wenn er sich immer noch an das Versprechen der körperlichen Ewigkeit klammerte? Es war, als spielte er mit Gott Karten und hielte einen Trumpf im Ärmel versteckt.
Mußte er den Transmitter entfernen, bevor seine Bitte erhört wurde?
Er brach am Uferrand zusammen.
Er spürte, wie der feuchte Sand seine Wange aufschürfte, und als er die Lippen bewegte, hatte er kleine Sandkörner zwischen den Zähnen.
»Oh Gott«, flüsterte er in seiner Angst und Unentschlossenheit. »Nicht das, nicht das ...«
30
Die Moskitos und Fliegen quälten ihn, und der harte Boden der Fahrspur war so heiß geworden, daß er seine nackten Sohlen verbrannte.
Als es ihm schließlich gelungen war, den schwimmenden Baumstumpf nahe genug ans Ufer zu bringen, hatte er eine halbe Meile oder mehr durch dichtes Uferschilf gehen müssen, bevor er die Straße erreichte. Und wenn er den Brennesselflecken auswich, trat er bestimmt in Giftefeu. Der Nesselausschlag brannte nun wie Feuer, und er war überzeugt davon, daß im Laufe der nächsten Stunden auch die ersten Blasen des Giftefeus aufgehen mußten. Er machte sich auf das Schlimmste gefaßt.
Eine Zeitlang hatte er gefürchtet, die Bummler könnten ihn verfolgen. Aber sie waren nicht aufgetaucht, und er kam zu der Überzeugung, daß sie ihn in Ruhe lassen würden. Sie hatten ihren Spaß gehabt, und abnehmen konnten sie ihm nichts mehr. Sie hatten seinen Wagen, seine Kleider
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