Geschäfte mit der Ewigkeit
zusammensetzte. Fast, als wolle er noch einmal alles in sich aufnehmen, damit er sich später daran erinnern konnte.
Obwohl es für ihn kein Später gab. Erst zur Poststelle, dann in ein Krankenhaus und von dort daheim anrufen. Denn Alice würde sich Sorgen machen, wenn er nicht anrief, und sie hatte ohnehin schon Sorgen genug. Gott sei Dank keine Geldsorgen. Es erleichterte ihn, wenn er an das Buch dachte, und daran, daß sie keine Geldsorgen hatte.
Der Arm beunruhigte ihn. Er wünschte, daß er endlich zu schmerzen aufhören würde. Bis auf den Arm war alles in Ordnung. Ein bißchen schwach und zittrig fühlte er sich zwar, aber vor allem der Arm machte ihm Sorgen.
Das Taxi blieb am Randstein stehen, und der Fahrer öffnete ihm die Tür.
»Da wären wir«, sagte er. »Soll ich auf Sie warten?«
»Ja, bitte«, erwiderte Chapman. »Ich bin gleich wieder da.«
Er ging langsam die Treppe nach oben. Es war mühsam. Seine Beine wurden immer schwerer, und als er endlich oben ankam, keuchte er.
Er durchquerte die Vorhalle und fand das Postfach, das er vor Wochen gemietet hatte. Der Umschlag war noch da.
B nach F und zurück zu A. Er drehte den Knopf langsam und sorgfältig herum, aber er funktionierte nicht. Er versuchte es noch einmal, rüttelte ein wenig. Diesmal öffnete sich das Fach. Er nahm den Umschlag heraus und schloß die Tür.
Als er sich mit dem Brief in der Hand umdrehte, packte ihn der Schmerz von neuem. Hart, brutal, schrecklich. Schwärze hüllte ihn ein, und er fiel. Er spürte es nicht mehr, als er auf dem Boden aufkam.
32
Ein paar Minuten, nachdem Frost aufgebrochen war, schlug das Gewitter los. Er trug den Fremden auf den Armen. Das ganze Land war von blendenden Blitzen erhellt, und der Donner brach sich hundertfach an den Hängen. Der Regen prasselte, und kleine Gießbäche kamen den Berg herunter. Der Boden unter seinen Füßen war glitschig und schien mit dem Wasser nach unten zu gleiten. Über ihm schüttelten sich die hohen Bäume im Sturm. Und zwischen den Donnerschlägen hörte man das dünne, johlende Pfeifen des Windes zwischen den Kalksteinklippen.
Der Mann, den er trug, war kein Leichtgewicht, und Frost mußte immer wieder stehenbleiben, um Atem zu schöpfen. Zwischen den Ruhepausen kämpfte er sich Schritt für Schritt vorwärts, über die steile Wand des Hügels hinauf, die durch den Regen glatt und gefährlich geworden war. Hinter sich hörte er das Schmatzen und Gurgeln des Wassers, das sich in den Hohlweg und das kleine Quelltal ergoß. In diesem Augenblick mußte sich das Lager des Fremden schon einen halben Meter unter Wasser befinden.
Mit der Ankunft des Sturmes war die Dämmerung immer tiefer geworden. Er sah nur ein paar Meter weit. Bis jetzt hatte er es vermieden, an den Weg zu denken, der noch vor ihm lag. Er dachte nur an den nächsten Schritt und wieder an den nächsten. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr, und die Welt verengte sich auf ein paar Quadratmeter. Er bewegte sich in einem grauen, eintönigen Nebel vorwärts.
Und dann war der Wald plötzlich zu Ende – ohne Übergang. Gerade war er noch um ihn gewesen, und nun trat er zurück. Vor ihm erstreckte sich eine ehemalige Wiese. Das knietiefe Gras wurde von der Wut des Sturmes gegen den Boden gepreßt, und die hellen Stengel glitzerten geisterhaft im Zwielicht.
Oberhalb des Feldes war das Haus, ein Felsen im Sturm, umgeben von windgepeitschten Bäumen. Und noch ein Stückchen darüber sah er den dunklen Schatten der Scheune.
Er trat mit schweren Schritten auf das Feld hinaus. Der Boden war hier nicht mehr so steil, und die Nähe des Hauses gab seinen Füßen neue Kraft.
Er überquerte das Feld und trat unter die Bäume, die das Haus umgaben. Einen Augenblick ließ der Wind nach.
Als er zur Veranda ging, nahm das Haus plötzlich sein vertrautes Gesicht an.
Er erreichte die Stufen. Sie quietschten, aber sie hielten sein Gewicht aus. Und nun die Tür, dachte er. Bis jetzt war ihm noch nicht der Gedanke gekommen, daß sie verschlossen sein könnte. Aber verschlossen oder nicht, er würde hineinkommen. Vielleicht mußte er das Fenster oder die Tür einschlagen. Der Kranke brauchte unbedingt einen trockenen Raum.
Er ging über die Bretter auf die Tür zu, und als er näherkam, öffnete sie sich, und eine Stimme sagte:
»Bringen Sie ihn hierher!«
Die dunkle Gestalt ging vor ihm her, und nun sah er längs der einen Wand eine Art Koje.
Er bückte sich und legte den Mann auf das Lager. Dann richtete er
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