Geschenke aus dem Paradies
seinen Wagen. Er war dort! Ihr Herz tat einen Satz, und sie zog es einen Moment lang beinahe in Erwägung, ins Restaurant zu gehen und ihn zu suchen. Sie konnte es unter irgendeinem Vorwand tun; wenn er mit Mandanten zu tun hatte, brauchte sie gar nicht mit ihm zu sprechen, sie konnte einfach nach dem Weg fragen oder die Toilette benutzen und wieder gehen. Plötzlich wurde das Bedürfnis, ihn zu sehen, übermächtig. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Angesichts des ungünstig gelegenen Eingangs und der Baustelle war es besser, sie wendete an der nächsten Nebenstraße, als zu versuchen, von ihrem jetzigen Standort aus den Parkplatz zu erreichen. Noch bevor sie eine endgültige Entscheidung getroffen hatte, kam Jake aus dem Pub. Er war mit Kerry Anne zusammen.
»Gerate jetzt nicht in Panik«, sagte sie sich, obwohl sich an ihrem Haaransatz und im Nacken bereits Schweißperlen bildeten. »Pierce wird jeden Augenblick nachkommen. Es ist lediglich ein Geschäftsessen, aber vielleicht wäre es doch besser, wenn ich nicht hineinginge.«
Die Ampel war immer noch rot. Jetzt betete sie, dass sie auf Grün umspringen würde, damit der Anblick von Kerry Anne und Jake zusammen sie nicht länger quälte. Sie konnte jedoch nicht aufhören, die beiden zu beobachten. Sie sah, wie er mit Kerry Anne zu einem anderen Wagen hinüberging – ihrem Wagen anscheinend. Also waren sie nicht zusammen hergekommen. Bedeutete das etwas? Und wo war Pierce?
Natürlich musste es eine rein geschäftliche Angelegenheit gewesen sein. Aber drei Dinge tauchten gleichzeitig in ihrem Gedächtnis auf und kollidierten dort mit unbarmherziger Genauigkeit: Das Bild von Kerry Anne, wie sie mit Jake flirtete, als Nel sie seinerzeit in Jakes Büro kennen gelernt hatte; Simon, der ihr mit kühler Stimme mitteilte, dass er Jake und Kerry Anne bei einem gemeinsamen Mittagessen gesehen habe; und die Erinnerung an die amerikanische Stimme am Telefon in Chris Mowbrays Haus.
Kerry Anne. Jake. Chris. Chris, der so versessen auf Gideon Freebodys Pläne war. Jake, der so versessen auf Kerry Anne zu sein schien, die wiederum so viel Geld wie nur möglich aus dem Erbe ihres Mannes herausschlagen wollte. Als der Anwalt der Hunstantons war Jake in einer sehr guten Position, um Pierce und Kerry Anne zu überreden, dass es das Beste für sie wäre, das Land an Gideon Freebody zu verkaufen. Wenn sie an Abraham verkauften oder Abraham das Gelände erschließen ließen, würde Gideon Freebody leer ausgehen. Und wenn Jake mit Gideon Freebody unter einer Decke steckte, dann wäre das das Letzte, was er wollte.
Jetzt brach Nel plötzlich am ganzen Körper der Schweiß aus. Ihr war übel, und in ihrem Kopf drehte sich alles, als sei sie körperlich krank. Oh Gott, wie konnte ich nur so dumm sein! Sie hätte am liebsten geweint, nicht die sentimentalen Tränen, die ihr mehrmals am Tag aus den Augenwinkeln rannen, sondern das herzzerreißende, den ganzen Körper schüttelnde Schluchzen, dem sie schon seit so langer Zeit nicht mehr erlegen war. Jake machte sich an sie heran, hatte sie sogar verführt – und das nur deshalb, weil sie die engagierteste Person im Vorstand des Hospizes war. Die anderen Ausschussmitglieder, ausgenommen natürlich Vivian, neigten eher dazu, Chris Mowbrays Führung zu folgen. Chris musste ziemlich zuversichtlich gewesen sein, dass er diese Leute auf Freebody einschwören konnte, außer Nel. Jake hatte den Auftrag bekommen, Nel ruhig zu halten, sodass sie nicht allzu viel Wind machen konnte.
Auch wenn sie stets das Gute in einem Menschen zu sehen bereit war, so war sie deswegen nicht vollkommen vernagelt, sie erkannte eine Ratte, wenn sie eine zu Gesicht bekam, sie durchschaute es, wenn man ihr etwas vormachte. Qual, Reue und Verzweiflung bemächtigten sich ihrer, als sie nun den Schweiß von ihrer Stirn wischte. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, Marks Andenken besudelt zu haben und ihre glücklichen gemeinsamen Jahre, indem sie es zugelassen hatte, dass ihre Sinne ihr Gehirn derart umnebelten. Sie massierte sich die Stelle zwischen ihren Augen mit dem Finger, als versuche sie auszulöschen, was sie getan hatte.
Kerry Anne suchte jetzt in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln. Jake nahm sie ihr ab und öffnete die Wagentür für sie. Sie drehte sich zu ihm um, stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang ihm die Arme um den Hals und zog seinen Kopf zu sich herunter, sodass sie etwa auf gleicher Höhe waren.
Der Wagen hinter ihr machte sie
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