Geschenke aus dem Paradies
verloren hatte, würde sie ihr damit in den Ohren liegen, dass sie ihn wiedersehen, eine Affäre mit ihm anfangen und Simon loswerden solle.
Pech. Nel würde an ihrem Entschluss festhalten und Vivian davon überzeugen, dass die Beziehung keine Zukunft hatte, nicht einmal für eine herrliche, flüchtige Affäre. Nel stieß einen so tiefen Seufzer aus, dass es beinahe ein Schluchzen war. Sie wollte keine Bindung, nichts, was für die Ewigkeit war, sie wollte nur, dass ihr Leben ungestört weiterging. Und sie wollte Sex. Dieser Gedanke war seltsamerweise beruhigend. Nel stellte ihren Kragen auf und döste vor sich hin.
Sobald sie aus dem Zug gestiegen war, rief sie Vivian an. »Entschuldige, dass ich dich zu dieser unchristlichen Zeit anrufe, aber ich wusste, dass du heute Morgen früh aufstehen wolltest. Du könntest nicht vielleicht so lieb sein, mich vom Bahnhof abzuholen?«
»Wo ist dein Wagen?«
»Ich bin zu Fuß zum Bahnhof gegangen.«
»Und jetzt bist du zu verkatert, um zurückzulaufen? Nel, du überraschst mich.«
»Das ist es nicht, aber ich muss mit dir reden.«
»Nun, das kannst du, ich will nur schnell die Hunde rauslassen, dann muss ich sofort runter zu meinen Bienen. Du wirst mit mir kommen müssen.«
»Wie geht es ihnen?«
»Den Bienen? Keine Ahnung. Sie haben den ganzen Winter geschlafen.«
»Nicht den Bienen, den Hunden!«
»Mit denen ist alles in Ordnung. Meine Bienen sind gesundheitlich weitaus empfindlicher.«
»Ja, tut mir Leid.« Nel liebte die Romantik der Bienen, liebte Honig, liebte Bienenwachs, und sie fand sie absolut faszinierend – solange sie aus sicherer Entfernung fasziniert sein konnte. Und Vivian konnte einfach nicht begreifen, warum Menschen Phobien wegen fliegender Insekten hatten, die einen zwar angeblich nicht stechen wollten, es aber regelmäßig taten.
»Ich werde eine zweite Schutzausrüstung in den Wagen werfen.«
»Ich könnte wahrscheinlich zu Fuß gehen. Du kannst ja auf dem Rückweg bei mir vorbeikommen.«
»Nein, dieses Bienenvolk ist meilenweit entfernt, und du klingst so, als hättest du interessante Neuigkeiten. Ich bin in ungefähr fünf Minuten bei dir.«
»Also«, fragte Vivian, als Nel sich und ihren Mantel in den Wagen verfrachtet hatte. »Hast du bei Simons Freunden übernachtet?«
»Nein.«
»Dann bist du also gleich zurückgefahren, nachdem die Disko geschlossen hatte?«
»Nein! Ich bin kein Roboter! Ich brauche Schlaf.«
»Einige von diesen Diskos haben die ganze Nacht geöffnet.«
»Das weiß ich inzwischen auch! Ich hatte ja keine Ahnung! Wir sind erst nach Mitternacht hingegangen, und selbst dann waren wir noch früh dran.«
»Wir? Hat einer der Jungen dich begleitet?«
»Viv, wenn ich dir die ganze Geschichte erzähle, versprichst du mir dann, nicht zu schreien?«
»Klar. Ich bin eine Frau von Welt, aber das klingt gut.«
»Also ...« Und Nel begann.
Vivian schrie. »Du hast mit Jake Demerand geschlafen? Dem Anwalt der Hunstantons, dem Mann, der dich unter dem Mistelzweig geküsst hat?«
»Habe ich dir das erzählt?«
»Oh, um Himmels willen! Ich bin doch nicht dumm!«
Nel sah sich gezwungen, dies als wahr zu akzeptieren. »Wie dem auch sei, ich habe nicht mit ihm geschlafen, wir hatten Sex.«
»Ich fasse es nicht! Ich wusste ja nicht einmal, dass du ihn so gut kanntest!«
»Tue ich auch nicht. Es war reiner Zufall, ein Versehen.«
»Schätzchen, man hat nicht versehentlich Sex mit einem so himmlischen Mann wie Jake Demerand. Dazu braucht man monatelange Planung und eine ausgeklügelte Strategie, und du, die du praktisch Jungfrau bist ...«
»Ich bin die Mutter dreier erwachsener Kinder, und ich war jahrelang verheiratet«, rief Nel ihr gereizt in Erinnerung.
»... praktisch Jungfrau bist, jedenfalls bestimmt keine Femme fatale ...«
»Vielen Dank!«
»Das soll nicht heißen, dass du nicht sehr attraktiv wärest, nur dass du nicht gerade gewohnheitsmäßig am Samstagabend Männer abschleppst, und genau das scheint dir ohne große Mühe gelungen zu sein.«
Nel stöhnte.
Vivian fuhr durch eine Einfahrt zu einem Obstgarten. »Also gut, du kannst mir alles erzählen, während ich arbeite. Und wehe, du verschweigst mir etwas.« Sie drehte sich um und kramte auf der Rückbank. »Zieh dieses Zelt aus und bereite dich darauf vor, den Schleier zu nehmen.«
»Ein so loses Frauenzimmer bin ich nun auch wieder nicht ...«
»Hier, nimm das«, sagte Vivian und reichte Nel ein weißes Gewand, an dem Hut und Schleier befestigt
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