Geschenke aus dem Paradies
Furchtbares getan zu haben, wie eine alte Dame auszurauben oder einen Mord zu begehen. Aber sie hatte mit ihm schlafen wollen. Sie hatte es sogar sehr gewollt.
Als sie zu einem Zeitungskiosk kam, der gerade öffnete, kaufte sie sich einen Stadtplan. Dann ging sie mit ihren hochhackigen Stiefeln, die Jake ihr am Abend zuvor so lässig ausgezogen hatte, zur Paddington Station. Sie würde immer noch stundenlang auf einen Zug warten müssen.
Kapitel 8
E rst als der Zug Didcot erreichte, dämmerte es Nel, dass sie nicht nur Sex gehabt hatte, sondern obendrein noch ungeschützten Sex. Plötzlich wurde ihr übel, und sie begann vor Angst zu zittern. Marcs Mantel, der sie einhüllte, war ein einziger Vorwurf. Wie hatte sie nur so gedankenlos sein können? Fleur wäre das niemals passiert. Sie war nicht nur eine sexhungrige Schlampe, sie war obendrein noch dumm.
Sie schloss die Augen und kuschelte sich tiefer in die dunkelblaue Wolle, aber sie konnte sich nicht entspannen. Nur einmal angenommen, sie war schwanger geworden?
Es war höchst unwahrscheinlich. Sie war über vierzig: Dann ließ die Fruchtbarkeit nach, das wusste jeder. Sie brauchte nur auf ihre nächste Periode zu warten, konnte sie sich wieder beruhigen.
Nel wusste, dass ihre Chancen, sich jemals zu beruhigen, bei null standen, auch nach ihrer nächsten Periode. Wann war ihre Periode überhaupt fällig, um Himmels willen? Sie führte nicht Buch darüber, das war nicht nötig. Wenn sie wegfuhr, überschlug sie vielleicht grob, wann es wieder so weit sein würde, um die notwendigen Dinge einzupacken, aber das war auch alles.
Sie zermarterte sich das Gehirn, konnte sich jedoch partout an kein Datum und auch an keine hilfreichen Anhaltspunkte erinnern – wahrscheinlich weil sie so außer sich war.
Was würden ihre Kinder sagen? Wie würden sie damit fertig werden, eine ältere, allein erziehende Mutter mit Baby zu haben? Natürlich hatten sie sich daran gewöhnt, dass sie eine allein erziehende Mutter war, aber nicht die Mutter eines Babys.
Die Leute würden denken, es sei Fleurs Kind und sie ziehe es nur für ihre Tochter groß. Wie unfair! Für die Torheit seiner Mutter von der Gesellschaft verurteilt zu werden! Möglicherweise verurteilte die Gesellschaft heutzutage eine ledige Mutter nicht mehr, aber es wäre trotzdem furchtbar peinlich für Fleur, für die Jungen, für sie alle.
Nun, es durfte nicht passieren. Sie würde die »Pille danach« nehmen, dann brauchte sie sich nicht mehr lange Sorgen zu machen, nur bis der Zug ankam und die Apotheke öffnete.
Plötzlich musste sie an den Tag denken, als ihre Kinder das erste Mal Läuse hatten. Sie hatte sie an einem Samstagmorgen in Fleurs Haaren entdeckt, und die ganze Familie hatte um neun Uhr auf der Türschwelle von Boots gestanden. Sie war außer sich gewesen vor Entsetzen und Scham und davon überzeugt, dass sie eine unfähige Mutter sein müsse, weil sie die Läuse nicht eher bemerkt hatte. Die Frau, die ihr das damals gängige giftige Gegenmittel verkauft hatte, war vollkommen ruhig geblieben. Sie hatte ihr sogar einen kleinen Vortrag darüber gehalten (alles Lügen wahrscheinlich), dass Läuse nur sauberes Haar schätzten und feine Leute sie genauso oft bekämen wie alle anderen.
Diese Erinnerung war es, die Nel klar machte, dass sie unmöglich einfach ein Verhütungsmittel für den Notfall für sich kaufen konnte. Sie kannte die Leute bei Boots, wenn nicht persönlich, so doch zumindest vom Sehen, und eine von Fleurs Freundinnen arbeitete dort. Wie diskret alle Beteiligten auch sein mochten, Nel wollte nicht, dass auch nur zwei Menschen wussten, dass sie ungeschützten Sex gehabt hatte.
Sie zuckte abermals zusammen. Es war Sonntag! Wie konnte sie das vergessen? Jetzt würde sie herausfinden müssen, welche Apotheke Notdienst hatte. Sie konnte natürlich in eine andere Stadt fahren, irgendwohin, wo niemand sie kannte, das würde den Peinlichkeitsfaktor verringern. Aber angenommen, man wurde furchtbar krank davon? Was sollte sie Fleur erzählen, wenn sie aus der Schule zurückkam und ihre Mutter stöhnend auf dem Sofa vorfand oder, schlimmer noch, im Bett?
Nein, sie musste sich jemandem anvertrauen, und das bedeutete, Vivian.
Vivian wäre genau die Richtige gewesen, um ihr das Herz auszuschütten, wenn Nel in der Disko einfach einen Fremden aufgelesen, vollkommen den Verstand verloren und mit ihm geschlafen hätte. Aber sobald Vivian erfahren würde, dass es Jake war, bei dem Nel den Verstand
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