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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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Ich kann dir nicht sagen: ›Das sieht toll aus, geh so raus!‹ Ich will das einfach nicht.«
    Mama wollte das einfach nicht. Punkt. Weil Mama Angst hatte. Ich meinte, die Fesseln fast körperlich zu spüren, die diese Angst um mich schnürte. Ich sagte nichts mehr, drehte mich um und ging in mein Zimmer. Und dort würde ich heute bleiben. Sollte sie denen in der Schule doch sagen, was sie wollte.

Gardasee
    Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück,
gehört es dir – für immer.
    KONFUZIUS
    Den ganzen Juni über hörten die Diskussionen über meine Klamotten nicht auf. Immer wieder gab es Streit mit Mama, weil sie fand, ich sähe zu auffällig oder zu aufreizend oder zu sonst was aus. Ich hatte das Gefühl, dass es immer schlimmer wurde, und fühlte mich mehr und mehr eingeengt. Dabei machte es mir so viel Spaß, mir schöne Sachen anzuziehen, mich zu schminken und mich mit Freunden zu treffen! Aber sie verstand das einfach nicht. Auf Miniröcke und Schminke war sie besonders allergisch. Mehrmals die Woche musste ich mich wieder umziehen, wenn ich zum Frühstück runterkam, manchmal weigerte ich mich und dann brüllten wir beide rum, bis uns nichts mehr einfiel.
    Zweimal sagte sogar Papa zu Mama: »Jetzt beruhige dich doch mal. Das ist doch ganz normal, was sie da macht. Die anderen Mädchen in dem Alter laufen doch auch alle so rum.« Doch meistens hielt er zu Mama.
    Ich konnte ja grundsätzlich verstehen, was ihr Problem war, und wir versuchten mehrmals, darüber zu reden. Aber es war nicht mehr wie früher. Meistens schrien wir uns zum Schluss nur an.
    Ich sah einfach nicht ein, dass nur ich Rücksicht nehmen sollte. Ich war fünfzehn und wollte nicht in einen Käfig gesperrt werden, nur, weil sie Angst hatte! Wie sollte das denn weitergehen? Würde ich meine ganze Jugend durch mit langweiligen Klamotten zu Hause sitzen müssen, weil ich nicht so lange ausgehen durfte wie alle anderen und mich nicht schön anziehen durfte? Und das alles nur, weil Mama Schiss hatte, dass ich wie meine Mutter wurde oder irgendetwas tat, das dem Jugendamt nicht passte?
    Mitte Juni kam zum ersten Mal das Thema Urlaub auf. Die Stimmung zwischen meinen Eltern und mir war so mies, dass ich schon die Vorstellung, zwei Wochen zusammen in Österreich wandern zu gehen, schrecklich fand. Es gab sowieso nichts Langweiligeres als Wandern.
    Mit Stefan verstand ich mich auch nicht mehr so gut. Er war wahrscheinlich total genervt, weil sich zu Hause so viel um mich drehte. Zuerst die ganze Zeit vor der Gerichtsverhandlung. Und danach war es eigentlich noch schlimmer geworden. Aber ich konnte auch nichts daran ändern. Ich wollte ja gar nicht, dass es immer nur um mich ging! Mama und Papa fingen immer an, weil ihnen nichts mehr an mir passte, sie mich dauernd kontrollierten und ich angeblich alles falsch machte. Langsam fühlte ich mich wie das schwarze Schaf der Familie. Egal, was ich machte, es war verkehrt. Vielleicht war es am besten, wenn ich allen mehr aus dem Weg ging.
    »Ich bleibe diesen Sommer zu Hause und fahre nicht mit euch nach Österreich«, kündigte ich meine Pläne beim Abendessen an.
    »Du tust was ?« Mama ließ sofort Messer und Gabel liegen.
    Papa stutzte kurz und zog die Augenbrauen hoch, aß aber weiter. Stefan grinste.
    »Ich habe überhaupt keine Lust mehr auf Wandern und hier in Köln ist viel los im Sommer. Da bleibe ich lieber hier.« Ich hatte mir das lange überlegt. Ich konnte öfter bei Silvia übernachten oder noch besser: sie bei mir. Kerstin würde ja hierbleiben und konnte auf mich aufpassen. Auch wenn wir uns nicht mehr so gut verstanden wie früher, war sie sicher nicht so streng wie Mama und machte sowieso ihr eigenes Ding.
    »Du bleibst auf gar keinen Fall alleine hier. Das kommt überhaupt nicht in die Tüte!« Mama war schon wieder auf hundertachtzig.
    »Wieso denn nicht? Ich nerve euch doch sowieso bloß! Ständig meckerst du an mir rum, ständig mach ich alles falsch!« Sie sollte sich endlich mal locker machen. Ich wollte ja einfach bloß zu Hause bleiben, das war doch wirklich nicht zu viel verlangt.
    »Das stimmt doch überhaupt nicht! Ja, wir streiten viel in letzter Zeit, aber das heißt nicht, dass du uns bloß noch nervst!«, sagte Mama. Richtig überzeugend klang sie nicht, fand ich.
    Eine Weile sagte keiner etwas. Dann schaltete sich Papa ein:
    »Weißt du, Janine, ich kann sogar verstehen, dass du mit fünfzehn auch mal deine eigenen Wege gehen willst. Und es gibt im Moment tatsächlich

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