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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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viel Streit hier. Der auch Mama sehr anstrengt. Aber dass du alleine hierbleibst, ist definitiv keine Möglichkeit.«
    Mama sah ihn nachdenklich an und nickte. Sie seufzte und sagte: »Lass mich ein bisschen nachdenken. Am Wochenende reden wir noch einmal darüber, ja?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Was auch immer das bringen sollte. Wandern würde ich diesen Sommer aber garantiert nicht. Und wenn sie sich auf den Kopf stellten.
    Am Samstag nach dem Frühstück zog Mama ein Faltblatt aus ihrer Handtasche und gab es mir. Ferienlager am Gardasee stand darüber.
    »Was soll ich denn damit?«, fragte ich.
    »Da sind noch Plätze frei. Das ist ein Ferienlager für Vierzehn- bis Sechzehnjährige, das die Gemeinde in Lövenich organisiert. Sie fahren zur gleichen Zeit wie wir. Niemand zwingt dich, mit uns in den Urlaub zu fahren. Das ist die Alternative.«
    »Aha.« Ich war erst mal sprachlos. Ich hatte nie daran gedacht, in ein Ferienlager zu fahren. Ein unangenehmer Gedanke schlich sich in meinen Kopf: Wollte mich Mama vielleicht tatsächlich loswerden? Hatte ich den Bogen überspannt? Aber eigentlich war das jetzt auch egal. Schnell wägte ich ab: Am besten wäre alleine zu Hause bleiben, aber die Chance, dass sie sich darauf einließen, war gering. Am schlechtesten war, mit nach Österreich zu fahren.
    »Wo ist denn der Gardasee?«
    »In Italien. Er ist riesig. Und die Berge sind auch nicht weit. Man kann da sicher eine Menge unternehmen«, sagte Mama und bemühte sich, begeistert zu klingen.
    »Aber ich kenne ja überhaupt niemanden, der da mitfährt.«
    »Da findest du sicher schnell Anschluss. Du kannst auch nach wie vor mit nach Österreich fahren. Aber vielleicht ist es für uns beide keine so schlechte Idee, wenn wir mal zwei Wochen nicht miteinander streiten.« Mama sah müde aus.
    Wenige Wochen später stand ich mit Mama und Papa vor einem großen Reisebus. Die Gepäckklappen waren offen und um uns herum wimmelte es nur so von Jugendlichen und ihren Eltern. Überall lagen und standen Koffer und Reisetaschen herum. Ständig kam jemand Neues an und begrüßte seine Freunde. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich hier wirklich niemanden kannte. Mir wurde mulmig.
    »Alles okay?«, fragte Mama.
    »Mhm«, machte ich.
    »Für etwas Neues braucht man immer ein bisschen Mut. Und den hast du doch! Also, hab keine Angst. Und genieß den Urlaub.«
    Ich nickte. »Könnt ihr jetzt gehen? Das ist sonst peinlich.«
    Mama und Papa lächelten – zum ersten Mal seit Langem. Papa lud meine Tasche in den Bus. Wir umarmten uns kurz. Mama drückte mich ganz fest und flüsterte mir ins Ohr:
    »Pass auf dich auf. Und bitte, bitte, mach keine Dummheiten, ja? Da sind ein paar ältere Jungs dabei und …«
    »Mama, hör auf!«, unterbrach ich sie. Sie hatte also bloß so cool getan! Ich löste mich aus der Umarmung, sah sie an und zischte: »Ich bin nicht blöd und du kannst mir vertrauen!« Warum konnte sie nicht einmal locker sein?
    Papa sagte: »Vielleicht vermisst du uns ja ein bisschen.«
    Da musste ich lächeln. »Bestimmt!«
    Mama strich mir kurz durchs Haar. Ich sah, dass in ihren Augen zwei Tränen schwammen, aber sie lächelte trotzdem.
    Als Mama und Papa weg waren, stieg ich in den Bus. Etwa in der Mitte saß ein Mädchen in meinem Alter alleine.
    Ich nahm all meinen Mut zusammen, setzte mein nettestes Lächeln auf und fragte: »Ist hier neben dir noch frei?«
    Sie lächelte auch, nickte und sagte: »Ja, klar, setz dich ruhig.«
    Als ich meinen Rucksack im Fußraum verstaut hatte und mich hingesetzt hatte, sagte sie: »Ich kenne hier keinen Einzigen!«
    »Jetzt kennst du mich. Ich heiße Janine.« Ich tat viel selbstbewusster, als ich mich gerade fühlte.
    Sie hieß Tanja und hatte sich auch ganz kurzfristig angemeldet. Sie wohnte in Widdersdorf und ging wie ich auf die Realschule, aber auf eine andere. Wir kamen sehr schnell ins Gespräch und merkten gar nicht, dass der Bus losfuhr. Erst auf der Autobahn wurde mir klar, dass ich es geschafft hatte. Mit Tanja würde es sicher ein super Urlaub werden!
    Wir kamen spätabends an. Während der Pausen und im Bus hatten Tanja und ich schon ein paar von den anderen kennengelernt. Die meisten, die dabei waren, waren schon sechzehn oder siebzehn. Als wir ankamen, quartierten Tanja und ich uns zusammen mit zwei anderen Mädchen in einem Vierer-Zimmer ein. Wir fielen todmüde ins Bett und ich schlief sofort ein.
    Gleich nach dem Frühstück am nächsten Tag erklärten die Betreuer,

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