Geschichte der deutschen Sprache
Bedeutung
Heiland
(lat.
salvator
),
schneiden
(engl.
to cut
‹jmdn. geflissentlich übersehen›)
Diejenige Sprache, die das Deutsche am längsten und dabei stark beeinflusst hat, ist mit Sicherheit das Latein. Dieser lateinische Einfluss geht bis auf die Spätantike zurück und lässt sich in vier große Entlehnungswellen unterteilen: die Römerzeit, die Periode der Christianisierung, das Zeitalter des Humanismus und die Zeit der Internationalisierung.
Zur Zeit der ersten Welle, der Spätantike (etwa von 50 v. Chr. bis 500 n. Chr.), also noch vor dem eigentlichen Beginn der deutschen Sprachgeschichte, übernehmen die Germanen Vieles von der römischen Zivilisation. Und mit den Sachen werden auch die entsprechenden Ausdrücke von der lateinischen in die germanische und damit später auch in die deutsche Sprache übernommen; sie sind heute Lehnwörter, da sie im Zuge der Zweiten Lautverschiebung lautlich und grammatisch an das Deutsche angepasst werden. Beispiele für diesen Lehnwortschatz stammen aus dem Kriegswesen:
Kampf
(
campus
‹Feld›),
Pfeil
(
pilum
); aus der Verwaltung:
Zoll
(
tollonium
),
Kerker
(
carcer
); Baukunst:
Ziegel
(
tegula
),
Fenster
(
fenestra
);
Küche
(
coquina
):
Pfanne
(
panna
),
Kümmel
(
cuminum
); Handel und Verkehr:
Markt
(
mercatus
),
Pfund
(
pondo
),
Straße
(
via strata
); Gartenbau:
Frucht
(
fructus
),
Kirsche
(
ceresia
); Weinbau:
Wein
(
vinum
),
Kelch
(
calix
). Hinzu kommen römische Ortsnamen, die aus dieser Zeit stammen und noch heute in Gebrauch sind:
Köln
(
Colonia
),
Trier
(
Augusta Treverorum
) oder
Passau
(
Batava Castra
) sind nur einige der bekanntesten davon.
Die zweite Entlehnungswelle folgt zur Zeit der Christianisierung (etwa von 500 bis 800 n. Chr.), also etwa um den Beginn der deutschen Sprachgeschichte selbst. Ausdrücke, die in dieser Zeit entlehnt werden, machen im Unterschied zu denjenigen der ersten Welle die Zweite Lautverschiebung nicht mit und sind daher nicht als Lehn-, sondern als Fremdwörter anzusehen. Hierzu gehören insbesondere solche Wörter, die mit der christlichen Religion sowie der Kirchen- und Klosterkultur verbunden sind. Die folgenden Beispiele beziehen sich auf kirchliche Institutionen:
Papst
(
papa
),
Kloster
(
clostrum
),
predigen
(
praedicare
); klösterliche Schriftkultur:
Tinte
(
tincta aqua
‹gefärbtes Wasser›),
schreiben
(
scribere
),
Pergament
(
pergamentum
); klösterlicheAlltagskultur:
Teppich
(
tapetum
),
Drillich
(
trilix
‹mit dreifachem Faden gewebte Leinwand›),
Brezel
(
brachitum
‹in Form von verschlungenen Armen›); klösterliche Gartenkultur:
Petersilie
(
petrosilium
),
Salbei
(
salvia
, zu
salvus
‹gesund›),
Veilchen
(
viola
). Neben solchen Fremdwörtern finden sich auch echte Neubildungen, die in althochdeutscher Zeit nach lateinischem Vorbild entstehen sind, so etwa:
Gewissen
(
conscientia
),
Heiligtum
(
sanctuarium
),
Demut
(
dienen
und
Mut
für
humilitas
) oder
Barmherzigkeit
(
misericordia
).
Im Zeitalter des Humanismus (vom Ende des 15. bis ins 16. Jahrhundert) findet sich die dritte Entlehnungswelle aus dem Lateinischen: Es ist nun kein spätantiker Einfluss, sondern vielmehr die Wiederentdeckung antiker Bildungsideale in der Renaissance, die lateinische Wörter in den deutschen Sprachgebrauch eindringen lässt: Ganz allgemein geht es dabei um die Entwicklung zur
humanitas
durch die
Pädagogen
im Bereich der
Philologie
. Doch auch die Entwicklung einzelner Wissenschaften und das Entstehen bürgerlicher Berufe führen zur Herausbildung zahlreicher einzelner Fachsprachen, deren Wörter mehr und mehr Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch finden: Zu denken ist hier etwa an Ausdrücke aus dem römischen Recht (seit 1495):
Advokat
,
Arrest
,
Testament
; aus der Verwaltung:
kopieren
,
Magistrat
,
Registratur
; aus der Medizin:
Patient
,
Rezept
; aus Mathematik und Geometrie:
Produkt
,
multiplizieren
; aus der Grammatik:
Konjugation
,
Konsonant
; aus dem Schul- und Hochschulwesen:
Examen
,
Rektor
,
Dissertation
,
Student
,
immatrikulieren, Professor, Kommilitone
; und nicht zuletzt aus dem Druckwesen:
Fraktur
,
Makulatur
,
Korrektur
,
Format
.
Die vierte lateinische Entlehnungswelle reicht bis in unsere Tage. In Zeiten von Internationalisierung (seit dem 18. und 19. Jahrhundert) und Globalisierung (seit Mitte des 20. Jahrhunderts) werden zahlreiche neue Wörter ins Deutsche aufgenommen, die im Kern auf die lateinische und griechische Sprache zurückgehen, jedoch als Internationalismen neu
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