Geschichte der deutschen Sprache
Literatursprache leisten sollen; zu nennen sind hier unter anderem aus dem 17. Jahrhundert das «Buch von der Deutschen Poeterey» (1624) von Martin Opitz, der «Poetische Trichter» (1647) von Georg Philipp Harsdörffer oder die «Ausführliche Arbeit von der Teutschen HaubtSprache» (1663) von Justus Georg Schottelius; aus dem 18. Jahrhundert dann die «Grundlegung einer deutschen Sprachkunst» (1748) von Johann Christoph Gottsched oder das fünfbändige Wörterbuch (1774–81) und die «Sprachlehre für Schulen» (1781) von Johann Christoph Adelung. Im 19. Jahrhundert löst sich dann die wissenschaftliche Sprachbetrachtung von ihrem genuin sprachnormativen Anspruch und wendet sich mehr der Sprachgeschichte und dem Vergleich vonSprachen zu (nicht zuletzt auch, um aus einer solchen historischen und vergleichenden Betrachtung heraus ein tieferes Verständnis der eigenen Zeit sowie eine Stärkung der nationalen Identität zu ermöglichen). Die wichtigsten Vertreter der sog. Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft sind sicher die Brüder Grimm: Jacob Grimm mit seiner «Deutschen Grammatik» (1819–37) sowie Wilhelm und Jacob Grimm mit ihrem «Deutschen Wörterbuch» (ab 1854, in der ersten Auflage 1960 vollendet); als weitere Vertreter seien genannt: Karl Lachmann, Wilhelm Braune, Hermann Paul, Matthias Lexer oder Friedrich Kluge.
Die Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft bringt bei all ihren Erfolgen mit Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch auch eine nicht unwesentliche Vernachlässigung der Erforschung und der Normierung der deutschen Gegenwartssprache mit sich – ein Versäumnis, das durch die Germanistische Sprachwissenschaft der Nachkriegszeit nur zum Teil ausgeglichen wird. Diese lehnt sich seit einem guten halben Jahrhundert an die im Wesentlichen deskriptiv orientierte internationale Linguistik an und bestimmt sie zum Teil auch mit. Dabei lässt sich an der Entwicklung der germanistischen auch diejenige der allgemeinen Sprachwissenschaft nachzeichnen: Denn beide schreiten in diesen Jahrzehnten von einer strukturalistischen Betrachtung von lautlichen, lexikalischen oder grammatischen Inventaren und Regeln über eine pragmatische Betrachtung der Produktion und Rezeption einzelner Texte und ihrer Kontexte zu einer kognitiven Betrachtung von sprachlichen Funktionen voran und rücken dabei neben der linguistischen Theorie immer stärker die sprachliche Empirie und hierbei die Analyse ganzer Korpora an Texten in den Vordergrund des Interesses. Die öffentliche Diskussion um eine Normierung der deutschen Standardsprache wird in diesem Zusammenhang jedoch unter dem Hinweis gemieden, dass die wissenschaftliche Betrachtung von Sprache lediglich darin bestehe, Sprache zu beschreiben, und nicht, ihren Benutzern irgendwelche Vorschriften zu machen – eine Haltung, die man aus einer wissenschaftstheoretischen Perspektive heraus durchaus teilen kann, jedoch angesichts der hohen Bedeutungvon Sprache für unsere Gesellschaft nicht unbedingt teilen muss (wie etwa das Beispiel der Académie Française in Paris zeigt).
Im Ganzen lässt sich indessen feststellen, dass die deutsche Standardsprache der Jahrtausendwende im Hinblick auf Laut und Schrift sowie ihren Wortschatz und ihre Grammatik sprachwissenschaftlich gut erfasst und beschrieben ist. Dass beschreibende Werke wie Wörterbücher und Grammatiken oft auch einen vorschreibenden Charakter entfalten, ist, sprach- und kulturgeschichtlich betrachtet, eher die Regel als die Ausnahme. Gleichwohl kann die Entwicklung der Standardisierung bzw. Normierung der deutschen Sprache heute keineswegs als abgeschlossen gelten – im Gegenteil: Jüngere Tendenzen der deutschen Sprachgeschichte scheinen die erreichte Norm bereits wieder zu verschieben und aufzuweichen.
5.2 Sprache und Dichtung
Auch wenn man von mündlich vorgetragener Dichtung deutscher Sprache im frühen Mittelalter ausgehen darf, so ist hiervon heute kaum noch etwas in schriftlichen Aufzeichnungen erhalten geblieben. Überliefert sind demgegenüber vornehmlich lateinische Texte und deutsche Texte, die vom Lateinischen abhängig sind. Hierzu zählen Glossen (lateinische Texte mit Angaben deutscher Wörter) und Interlinearversionen (Wort-für-Wort-Übersetzungen), die im Lateinunterricht eingesetzt werden, sowie Übersetzungen lateinischer Texte (meist aus der Bibel), deren bedeutendster Verfasser, der St. Gallener Mönch Notker Labeo (um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert), jedoch zunächst kaum
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