Geschichte der deutschen Sprache
Sprache erscheint nicht mehr dazu geeignet, menschlichem Fühlen und Denken überhaupt gerecht zu werden.
Als Folge der Sprachkrise entwickeln sich im 20. Jahrhundert unter anderem auch literarische Strömungen, welche die sprachlicheKommunikation zu durchbrechen versuchen oder sie selbst thematisieren. Hierzu gehören in der ersten Jahrhunderthälfte Expressionismus, episches Drama und Dadaismus : Der Expressionismus (etwa bei August Stramm, Gottfried Benn oder Georg Trakl), der sich einerseits gegen den Sprachgebrauch des Naturalismus und andererseits gegen den des Symbolismus richtet, zeigt bei metrischer und rhythmischer Freiheit immer wieder Durchbrechungen grammatischer und stilistischer Normen, wobei eine Bevorzugung von Verben und Häufungen von anderen Wörtern zu beobachten sind. Die epische Literatur grenzt sich demgegenüber von der «bürgerlichen» Literatur und deren Sprache ab, wobei (insbesondere in den Dramen Bertolt Brechts) eine Durchbrechung der literarischen Kommunikationsebenen durch Textmontage und kommentierende Textteile sowie sog. Verfremdungseffekte auf sämtlichen sprachlichen Ebenen zu beobachten sind; all diese Darstellungsmittel haben die Aufgabe, das literarische Werk als solches bewusst zu halten und ein unreflektiertes Eintauchen in dessen Inhalt zu verhindern. Der Dadaismus (etwa bei Hugo Ball oder Kurt Schwitters) schließlich geht hier mit der sog. Collage-Technik, bei der sprachliche Einheiten sämtlicher Ebenen von Laut bzw. Schrift bis zum Text segmentiert und neu kombiniert werden, noch einen Schritt weiter. Das Ziel dieser vordergründig sinnlosen, jedoch nicht sinnfreien Werke ist es, gesellschaftliche Normen und sprachliche Kommunikation überhaupt ins Bewusstsein zu rücken und gleichzeitig zu hinterfragen.
Nachdem man zu Beginn der Nachkriegszeit noch diskutiert, ob mit der Sprache, der sich die Nationalsozialisten bedient haben, überhaupt noch literarische Werke zu schaffen seien, entsteht im deutschsprachigen Raum schon bald eine vielfältige Literatur, die sich kaum mehr in einzelne Strömungen untergliedern lässt. Es sei jedoch auf konkrete Poesie, Dokumentartheater und Sprechstücke als Beispiele für literarische Strömungen hingewiesen, in denen Sprache und Kommunikation wiederum eine besondere Rolle spielen. So werden in der konkreten Poesie wie im Dadaismus sprachliche Einheiten aufgebrochen und abstrakt (wie Elemente der Musik oder der Malerei) gebraucht,wobei Sprache sich selbst entfremdet und in einen anderen Verwendungszusammenhang gestellt wird (Eugen Gomringer, Ernst Jandl und andere). Das Dokumentartheater (etwa bei Peter Weiss) greift bestehende nichtliterarische Texte (etwa Prozessakten oder Briefe) auf und montiert aus diesen neue literarische Texte, wobei deren Aussage durch Selektion und Kombination der Ausgangstexte jeweils verdeutlicht werden soll. In den sog. Sprechstücken (Peter Handke) schließlich werden die verschiedenen Kommunikationsebenen des Theaters durch das Aufsagen von sprach- und theaterreflexiven oder sinnentleerten Sätzen aufgebrochen und damit die Kommunikation im Theater selbst ins Bewusstsein gerückt.
Die Spanne, die sich zwischen dem literarischen Sprachgebrauch der Weimarer Klassik und der konkreten Poesie erstreckt, lässt sich mit der Gegenüberstellung der beiden folgenden Gedichte abschließend kurz verdeutlichen:
Ein Gleiches
Über allen Gipfeln
ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, bald
Ruhest du auch.
(J. W. Goethe)
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
schweigen
(E. Gomringer)
5.3 Fach- und Sondersprachen
Die Entstehung von Fachsprachen überhaupt (also des Sprachgebrauchs in Forschung und Lehre, Technik und Handwerk sowie Institutionen und Verwaltung) ist nicht überliefert: Ein solch spezialisierter Sprachgebrauch findet sich überall dort, wo menschliche Gemeinschaften Arbeitsteilung kennen und sich über ihre verschiedenartigen Arbeitsbereiche verständigen. Und so ist der Beginn der deutschen Fachsprachen auch mit dem Beginn der deutschen Sprachgeschichte selbst anzusetzen.
Der größte Teil mittelalterlicher Fachliteratur ist dabei sicher den unteren Bereichen des mittelalterlichen Fächersystems zuzuordnen. Zu diesen Artes magicae und Artes mechanicae gehören Wahrsagungen und Beschwörungen (die sog. verbotenen Künste) und
Weitere Kostenlose Bücher