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Geschichte der deutschen Sprache

Geschichte der deutschen Sprache

Titel: Geschichte der deutschen Sprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Roelcke
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verhindern sucht, erfahren weite Bereiche der früheren Artes mechanicae schon bald eine erhebliche Zunahme an empirischen wie theoretischen Grundlagen, die sich in einem umfangreichen Schrifttum niederschlägt. Zu denken ist hier zum Beispiel an eine ganze Reihe an Reiseberichten, Kosmographien sowie an Länder- und Naturbeschreibungen. Bis zum Ende der frühen Neuzeit entwickeln sich die beschreibenden Naturwissenschaften wie Chemie, Biologie oder Physik zu selbständigen Lehrfächern, die frühe Formen von Fachsprachen angewandter Wissenschaften im Deutschen hervorbringen. Mit dieser fachlichen Entwicklung in der Technik und in den angewandten Wissenschaften sind unter anderem auch zwei sprachliche Veränderungen verbunden: Zum einen zeigt sich nun eine zunehmende Tendenz zu einem überregionalen Ausgleich innerhalb der Fachsprache; und zum anderen liegen mit Ende der frühen Neuzeit zahlreiche bedeutendere Handschriften aus diesem Bereich in Druckfassungen vor. Aus diesem Grunde kann nunmehr nicht allein von einer sachlichen, sondern auch von einer sprachlichen Fachtradition im technischpraxisorientierten Bereich ausgegangen werden.
    Der theoretischen und empirischen Grundlegung von Technikund anwendungsorientierten Fachbereichen entspricht eine Zunahme praktischer Umsetzungen im Bereich der früheren Artes liberales und der oberen Fakultäten: Es gilt nunmehr, dem abstrakten und theoretischen Wissen eine Bedeutung für das menschliche Leben und dessen Belange im Hier und Jetzt abzugewinnen. Im Zuge dieser Entwicklung entsteht ein fachliches Schrifttum, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse für handwerkliche und gewerbliche Berufe nutzbar gemacht werden. Hierzu gehören etwa Rechenbücher für Kaufleute oder geometrische Anleitungen für Baumeister. Diese Orientierung an der Praxis lässt in weiten Teilen Europas (etwa in Frankreich oder in Italien) trotz einer anfänglichen Relatinisierung, die dem Ideal der Renaissance verpflichtet ist, letztlich neben der lateinischen auch eine volkssprachliche bzw. deutsche Fachkommunikation entstehen. Es herrscht von nun an fachliche Zweisprachigkeit im wissenschaftlichen Bereich , wobei eine deutliche Unterscheidung nach Benutzergruppen festzustellen ist: Richten sich lateinische Texte vornehmlich an Fachwissenschaftler, zielen volkssprachliche Texte dagegen überwiegend auf ein breiteres Publikum.
    Im Vergleich zum übrigen europäischen Raum erfolgt die Einführung einer volkssprachlichen Wissenschaftssprache im deutschsprachigen Raum erst spät: So bleiben beispielsweise Versuche, einen deutschsprachigen Wortschatz der Mathematik (durch Dürer oder Kepler) oder der Medizin (durch Paracelsus) im 16. und 17. Jahrhundert zu entwickeln und einzuführen, weitgehend erfolglos. Dies gelingt erst einige Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg, am Ende des 17. und insbesondere dann im 18. Jahrhundert (in der Mathematik etwa durch Wolff oder Lambert), als man auch in Deutschland versucht, auf nationaler wie kultureller Ebene Anschluss an das allgegenwärtige Vorbild Frankreichs zu finden. Etwas günstiger ist es dagegen um die Sprachschöpfungen Luthers bestellt, die bereits seit dem 16. Jahrhundert den religiösen und theologischen Wortschatz deutscher Sprache wesentlich mitbestimmen und dabei einen großen (wenn auch bisweilen wiederum überschätzten) Einfluss auf die Entwicklung einer übergreifenden deutschen Literatursprachehaben. Neben den verschiedenen Fachwortschätzen deutscher Sprache sind es aber auch neue fachliche Textsorten, die sich im Laufe der frühen Neuzeit herausbilden: Hierzu sind insbesondere solche zu rechnen, die entweder der Vermittlung von Wissen dienen (zum Beispiel Lexika, Kommentare, Grammatiken oder Lehrbücher) oder die einen eher abwägenden Charakter zeigen und somit die Verbindlichkeit des Geschriebenen herabsetzen, ohne dabei jedoch auf argumentative Sorgfalt zu verzichten (wie beispielsweise Essays, Briefe oder Dialoge).
    Seit Beginn des 16. Jahrhunderts ist die deutsche Rechtsgeschichte durch den Übergang vom germanischen zum römischen Recht (1518) geprägt. Dabei entstehen neue lateinische, später ins Deutsche übersetzte Gesetzestexte, die wiederum erklärende Fachschriften (für Kanzleien oder Notariate) erfordern. Dies hat letztlich eine weitgehend unsystematische Erweiterung der deutschen Rechtssprache durch Fremd- und Lehnwörter zur Folge, wobei deren Reform erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit der Kodifikationsbewegung

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