Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
nothwendig darüber außer sich kommen würden. – Wenn die Sonne unterging und sich an der Westküste von Peru ins Meer zu stürzen
schien, sagten sie, sie steige in dasselbe um ihre Hitze in dem Wasser zu kühlen und schlüpfe dann wie ein guter Taucher unter
der Erde durch, um am nächsten Morgen im Osten wieder zum Vorschein zu kommen. Von dem Monde und den Sternen behaupteten sie
dieses nicht. So weit von der Astronomie.
16. Arzneiwissenschaft. Arithmetik. Geometrie. Musik. Poesie. Philosophie.
Wir wenden uns jetzt zu der Medicin. Sie bestand hauptsächlich im Purgiren und Aderlassen; Purgiren hielten sie für nützlich
und nothwendig, und Blut wurde an den Armen, Schenkeln oder andern Theilen des Körpers gelassen, ohne daß sie wußten in welchen
Krankheiten ein Aderlaß dienlich seyn konnte oder die Lage der Adern kannten. Sie begnügten sich damit eine Ader zu öffnen,
welche der Stelle des Uebels am nächsten lag. Wenn sie zum Beispiel von heftigen Kopfschmerzen geplagt wurden ließen sie zwischen
den beiden Augenbrauen zur Ader. Ihre Lanzette bestand in einem spitzigen Kiesel, den sie zwischen ein gespaltenes Stäbchen
Holz befestigten und dessen Stich weniger Schmerz als unsere Lanzette verursachte. Arzneien hatten sie zwar auch, aber sie
bedienten sich derselben auf gut Glück, ohne die Beschaffenheit derselben oder die Art der Krankheit zu kennen oder sonst
einen Begriff von Physiologie oder Pathologie zu haben. Wenn sie fühlten, daß ihr Körper mit Übeln Stoffen gefüllt war, nahmen
sie, selbst wenn sie eher gesund als krank waren; zum Purgiren ein; sie hatten dabei ein Universalmittel, nämlich eine gewisse
weiße, den Rüben ähnliche Wurzel. Die Gabe betrug gewöhnlich zwei Unzen. Nachdem man sie zu Pulver zerriebenhatte, nahm man sie auf einmal mit Wasser oder in einem andern gewöhnlichen Getränke ein. Gleich nach dem Einnehmen legte
man sich in die Sonne, auf daß die Arznei desto besser wirken konnte. Man fühlte sich eine Stunde nach dem Verschlucken dieser
Arznei am ganzen Körper so angegriffen, daß man sich nicht aufrecht erhalten konnte; es trat heftiges Kopf- und Herzweh ein
und in allen Nerven, in den Armen, Beinen, im ganzen Körper schienen Ameisen zu wühlen, worauf alsbald ein heftiger Schauder
und Frost sich einstellte. Nun fing das Mittel an nach oben und unten zu wirken und machte die welche es genommen so schwach,
daß sie jeden Augenblick den Geist aufzugeben schienen. Man verlor während der Operation allen Appetit, aber Würmer und sonstige
üble Stoffe, die sich im Körper befanden, wurden wirklich abgetrieben. Hatte die Arznei ihre Wirkung gethan, so verspürte
man einen entsetzlichen Hunger, man aß und trank tüchtig und die Gesundheit war wieder hergestellt.
Die Purgationen und Aderlässe fanden auf Anrathen der erfahrensten Personen, besonders gewisser alter Weiber statt; auch folgte
man dem Rathe der Botaniker, welche die Eigenschaften der Pflanzen kannten und andern Unterricht darin ertheilten. Diese galten
als die besten Aerzte und befaßten sich nur mit der Heilung der Könige und Incas, wohl auch der Curacas und ihrer Verwandten.
Leute niedern Standes curirten sich gegenseitig mit Hausmitteln, die der Sohn vom Vater kennen lernte. Geschah es daß ein
Kind, das noch an der Mutter trank, krank wurde, so gaben sie ihm Urin zu trinken oder wuschen es des Morgens darin und wickelten
es dann in die Windeln. Lösten sie die neugebornen Kinder von der Nabelschnur, so ließen sie ein fingerlanges Stück stehen;
dieses Stück wurde, wenn es später abfiel, mit größter Sorgfalt aufbewahrt um es dem Kinde im Falle einer Krankheit zum Saugen
zu geben. Um seinen Krankheitszustand besser zu erkennen, zogen sie ihm die Zunge aus dem Mund; sah sie weiß aus, so hielten
sie dieß für ein Zeichen von Unwohlseyn, und dann gaben sie ihm das Nabelschnurstück; jedoch mußte es sein eigenes seyn, indem
ein anderes, wie sie sagten, keine Wirkung hervorbrachte.
Den Puls zu fühlen verstanden sie nicht. Alles was sie vom Fieber wußten, beschränkte sich auf die starke Hitze des Körpers.Aderlassen und Purgiren wendeten sie stets vor dem Ausbruch der Krankheit an; waren sie wirklich erkrankt, so beschränkte
sich ihr Heilverfahren auf einfache Diät, indem sie das übrige der Natur überließen und keine Arznei nahmen. Von Klystiren
und Salben wußten sie ebenfalls nichts, Umschläge machten sie nur selten und bereiteten
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