Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
die verschiedenen
Mondphasen bemerken, da der Mond bald voll, bald im Wachsen, bald im Abnehmen erschien oder in der Conjunction stand. Die
zuletzt angeführte Phase oder die des Neumondes nannten sie den Tod des Mondes, weil sie ihn dreimal 24 Stunden nicht zu Gesicht
bekamen. Ferner erregten die verschiedenen Bewegungen der Venus, die bald vor, bald hinter der Sonne erschien, ihre Aufmerksamkeit.
All' diese Erscheinungen leiteten sie zu Beobachtungen, die jedoch über sinnliche Anschauungen nicht hinausgingen. – Sie erstaunten
über jede Naturerscheinung, ohne sich die Mühe zu geben nach deren Ursachen zu forschen, und wußten also keinen Grund für
den Wechsel des Mondes oder die schnellere und langsamere Bewegung der Planeten anzugeben. Sie kannten nur die drei genannten
Himmelskörper, die Sonne, den Mond und die Venus; sie allein waren im Stande durch ihren Glanz und ihre Schönheit ihre Bewunderung
zu erwecken; die übrigen Sterne oder Sternbilder beobachteten sie nicht. Die Sonne nannten sie Inti, den Mond Quilla, die
Venus Chasca, d. h. die reichlockige, wegen ihrer Strahlen. Auch die Pleiaden bewunderten sie, und allezusammen, die Sonne, den Mond, die Venus und die Pleiaden bezeichneten sie mit dem Worte Coyllur (Sterne).
Der Inca und die Gelehrten zählten die Jahre (Huata) nach den Sonnenläufen, das gemeine Volk nach den Ernten, alle jedoch
kannten im allgemeinen die Frühlings- und Wintersonnenwende vermittelst einer merkwürdigen Einrichtung. Es befanden sich nämlich
zu Cuzco 16 Thürme, acht im Osten und acht im Westen; je vier standen in einer Reihe; die beiden mittleren waren kleiner als
die andern und hatten drei Stockwerke; zwischen den Thürmen waren Zwischenräume von acht, zehn und zwanzig Fuß. Die Seitenthürme
waren bedeutend höher. Der Raum nun, der sich zwischen den beiden kleinen Thürmen befand, diente zur Erkennung der Zeit der
Sonnenwenden; ging nämlich die Sonne bei ihrem Auf- und Niedergange durch diesen Raum, so war dieß das Zeichen daß jene Zeit
eingetreten war. Um ja keinen Irrthum beim Feststellen der Sonnenwenden zu begehen, begab sich der Inca selbst auf einen geeigneten
Standpunkt und beobachtete genau, ob die Sonne zwischen den beiden kleinen Thürmen auf- und unterging; gleiche Beobachtungen
wurden von den gelehrtesten Indianern gemacht. Jedoch verstanden sie es nicht die Sonnenwende auf einen Tag im Jahre festzustellen,
weil sie die Monate nach den Mondläufen zählten. Ihr Jahr bestand aus zwölf Mondmonaten, und sie wußten es nicht mit dem Sonnenjahre
in Einklang zu bringen, das eilf Tage länger war; bemerkten übrigens diesen Unterschied und richteten sich bei der Bestellung
des Feldes nach dem Sonnenjahr. Auch die Tag- und Nachtgleichen waren ihnen bekannt und sie stellten an diesen Tagen große
Feste an. Zur Zeit der Frühlingstag- und Nachtgleiche ernteten sie den Mais unter großen Festlichkeiten; bei der Herbsttag-
und Nachtgleiche feierten sie eines ihrer vier höchsten Sonnenfeste, Citua Raynu genannt. Zur Bestimmung der Aequinoctien
hatte man reich verzierte, künstlich gearbeitete Säulen in der Mitte des Platzes vor dem Sonnentempel aufgestellt. Die Priester
versammelten sich beim Herannahen des Aequinoctiums jeden Tag und beobachteten genau den Schatten dieser Säulen. Die Stelle
an welcher sie aufgerichtet waren, bildete einen Kreis, und man zog von dem Mittelpunkte desselben aus eine Linie von Osten
nach Westen. Lange Erfahrung hatte ihnen den Punkt fürdie Richtung dieser Linie angegeben, und sie beurtheilten nach dem Schatten welchen die Säule warf, die Entfernung oder Annäherung
des Äequinoctiums. Wenn man nach dem Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergange rings um die Säule Schatten, zur Mittagszeit
aber keinen auf allen Seiten sah, so nahm man diesen Tag für die Tag- und Nachtgleiche. Man verzierte sodann die Säulen mit
Blumen und wohlriechenden Kräutern und setzte einen Stuhl oder Thron auf deren Spitze, weil man behauptete die Sonne lasse
sich an diesem Tage mit all ihrem Glanze auf der Säule nieder und stehe senkrecht über ihr stille. Zu gleicher Zeit betete
man die Sonne an, brachte Opfer und Geschenke dar und überall herrschte Frohsinn und Vergnügen. Es verdient noch bemerkt zu
werden, daß in dem Maaße als die Incas neue Provinzen eroberten, die Amautas oder Gelehrten die Erfahrung machten, daß je
mehr sie sich der Aequinoctiallinie oder dem Aequator
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