Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Die Teile der Krymowschen Armee waren auf diese Weise über Stationen, Rangierstellen und Sackgassen von acht Eisenbahnlinien verstreut. Verfolgt man auf der Karte das Schicksal der Korni-lowschen Staffeln, kann man den Eindruck gewinnen, die Verschwörer hätten auf dem Eisenbahnnetz Blindekuh g3-spielt.
"Fast überall", schildert General Krassnow seine Beobachtungen aus der Nacht zum 30. August, "sahen wir das gleiche Bild. Bald auf den Geleisen, bald im Waggon, in den Sätteln, neben den mit den Köpfen zu ihnen geneigten schwarzen und dunkelbraunen Pferden saßen oder standen Dragoner und bei ihnen eine behende Persönlichkeit in Soldatenuniform." Der Name dieser "behenden Persönlichkeit" wurde bald Legion. Aus der Richtung Petrograds trafen dauernd zahlreiche Regimentsdelegationen ein, die den Kornilow-Truppen entgegengesandt worden waren: alle wollten vor dem Treffen sich verständigen. Die revolutionären Truppen hegten die feste Zuversicht, daß es ohne Schlägerei ablaufen werde. Das bestätigte sich: die Kosaken kamen willig entgegen. Ein Kommando des Verbindungsdienstes des Korps ergriff Besitz von einer Lokomotive und schickte Delegierte aus über die ganze Linie. Jeder Staffel wurde die entstandene Lage erklärt. Es fanden ununterbrochen Meetings statt, in denen der Schrei wuchs: Wir sind betrogen worden! "Nicht nur die Divisionschefs", sagt derselbe Krassnow, "auch die Regimentskommandeure wußten nicht genau, wo ihre Schwadronen und Hundertschaften waren ... Das Fehlen von Lebensmitteln und Futter erboste die Leute natürlich noch mehr. Die Leute sahen diesen ganzen Wirrwarr, der sich ringsherum abspielte, und begannen, Offiziere und Vorgesetzte zu verhaften." Die Sowjetdelegation, die einen eigenen Stab gebildet hatte, meldete: "Die ganze Zeit finden Verbrüderungen statt. Wir sind völlig überzeugt, daß man den Konflikt als liquidiert betrachten kann. Von allen Seiten kommen Delegationen ... " Die Verwaltung der Truppenteile übernahmen an Stelle der Vorgesetzten die Komitees. Sehr bald wurde ein Sowjet der Korpsdeputierten einberufen, aus seiner Mitte eine Delegation, etwa vierzig Mann, ausgesondert und zur Provisorischen Regierung entsandt. Die Kosaken begannen laut zu erklären, sie warteten nur auf den Befehl aus Petrograd, um Krymow und die übrigen Offiziere zu verhaften.
Stankewitsch schildert das Bild, das er unterwegs vorfand, als er am 30. zusammen mit Wojtinski in die Richtung nach Pskow reiste. In Petrograd hatte man geglaubt, Zarskoje sei von Kornilow-Truppen besetzt - niemand war dort. "In Gatschina - niemand ... Unterwegs bis Luga - niemand. In Luga - alles still und ruhig ... Wir erreichten das Dorf, wo sich der Stab des Korps befinden sollte. Leer ... Es stellte sich heraus, daß die Kosaken am frühen Morgen aufgebrochen und in die Petrograd entgegengesetzte Richtung abmarschiert waren." Der Aufstand rollte zurück, zersplitterte, versickerte in der Erde.
Aber im Winterpalais fürchtete man sich noch immer ein wenig vor dem Gegner. Kerenski machte den Versuch, mit dem Kommandobestand der Rebellen in Verhandlungen einzutreten: dieser Weg schien ihm zuverlässiger als die "anarchische" Initiative der unteren Schichten. Er schickte zu Krymow Delegierte und ließ ihn "im Namen der Rettung
Rußlands" bitten, nach Petrograd zu kommen, wobei er ihm ehrenwörtlich die persönliche Sicherheit garantierte. Der von allen Seiten bedrängte General, der den Kopf völlig verloren hatte, nahm selbstverständlich die Einladung an. Krymows Spuren folgend, reiste nach Petrograd eine Deputation der Kosaken.
Die Fronten unterstützten das Hauptquartier nicht. Einen ernstlichen Versuch machte nur die Südwestfront. Denikins Stab hatte die Vorbereitungsmaßnahmen rechtzeitig getroffen. Die unzuverlässigen Wachen beim Stab waren durch Kosaken abgelöst worden. In der Nacht des 27. wurde die Druckerei besetzt. Der Stab versuchte die Rolle des selbstsicheren Herrn der Lage zu spielen und untersagte sogar dem Frontkomitee, den Telegraph zu benutzen. Doch die Illusion währte nicht einmal wenige Stunden. Delegierte verschiedener Truppenteile kamen zum Komitee und boten Hilfe an. Es tauchten Panzerautos, Maschinengewehre, Geschütze auf. Das Komitee unterstellte umgehend seiner Kontrolle die Tätigkeit des Stabes, dem die Initiative nur auf dem operativen Gebiet belassen wurde. Gegen 3 Uhr mittags des 28. war die Macht an der Südwestfront restlos in den Händen des Komitees konzentriert. "Noch
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