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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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niemals", beklagte sich Denikin, "schien die Zukunft des Landes so finster, unsere Ohnmacht so beschämend und niederdrückend."
    An den anderen Fronten spielte sich die Sache noch undramatischer ab: Die Oberkommandierenden brauchten sich nur umzuschauen, um ein Anwachsen freundlicher Gefühle für die Kommissare der Provisorischen Regierung zu verspüren. Am Morgen des 29. lagen im Winterpalais bereits telegraphische Treuebekundungen General Schtscherba-tschews von der rumänischen Front, Wakujews von der West- und Prschewalskis von der kaukasischen Front vor. Für die Nordfront, wo Oberkommandierender ein offener Kornilowianer, Klembowski, war, ernannte Stankewitsch zu seinem Vertreter einen gewissen Sawizki. "Der bis dahin nur wenigen bekannte, im Augenblick des Konfliktes telegraphisch ernannte Sawizki", schreibt Stankewitsch, "hätte sich mit einem beliebigen Befehl, und sei es auch die Verhaftung des Oberkommandierenden, ruhig an eine beliebige Soldatengruppe - Infanterie, Kosaken, Ordonnanzen, sogar Junker -, wenden können, der Befehl wäre unbedenklich ausgeführt worden ... " Ohne alle Schwierigkeiten wurde Klembowski durch General Bontsch-Brujewitsch ersetzt, der später durch Vermittlung seines Bruders, eines bekannten Bolschewiken, als einer der ersten in den Dienst der bolschewistischen Regierung trat.
    Nicht viel besser standen die Dinge bei der südlichen Säule der Militärpartei, dem Ataman der Dontruppen, Kaledin. In Petrograd sprach man davon, Kaledin mobilisiere die Kosakentruppen, und von der Front seien Staffeln zu ihm nach dem Don unterwegs. Währenddessen "reiste der Ataman", nach dem Bericht eines seiner Biographen, "weitab von der Eisenbahn aus einer Kosakensiedlung in die andere und unterhielt sich friedlich mit den Siedlungskosaken". Kaledin operierte tatsächlich vorsichtiger, als man in den revolutionären Kreisen glaubte. Er wählte den Augenblick des offenen Aufstandes, dessen Stunde ihm vorher bekannt war, für eine "friedliche" Rundreise durch die Siedlungen, um in den kritischen Tagen außerhalb telegraphischer und jeder anderen Kontrolle zu sein und gleichzeitig die Stimmung des Ko-sakentums zu sondieren. Am 27. telegraphierte er von unterwegs an seinen Vertreter Bogajewski: "Man muß Kornilow mit allen Mitteln und Kräften unterstützen." Aber gerade die Fühlungnahme mit den Siedlungskosaken hatte bewiesen, daß es eigentlich keine Mittel und Kräfte gab: die ackerbauenden Kosaken dachten nicht entfernt daran, sich zum Schutze Kornilows zu erheben. Als das Scheitern des Aufstandes immer offener zutage trat, beschloß die sogenannte "Heeresregierung" des Don, sich "bis zur Aufklärung des realen Kräfteverhältnisses" jeder Meinungsäußerung zu enthalten. Dank diesem Manöver gelang es den Spitzen des Doner Kosakentums, rechtzeitig beiseitezuspringen.
    In Petrograd, Moskau, am Don, an der Front, auf dem Marschwege der Staffeln, überall hatte Kornilow Gesinnungsgenossen, Anhänger, Freunde. Ihre Zahl schien gewaltig, wollte man nach den Telegrammen, Begrüßungsadressen, Zeitungsartikeln urteilen. Doch seltsam: jetzt, wo für sie die Stunde gekommen war, sich zu zeigen, waren sie verschwunden. In vielen Fällen lag der Grund keinesfalls in persönlicher Feigheit. Unter den Kornilowschen Offizieren gab es nicht wenig mutige Menschen. Doch für ihren Mut fand sich kein Anwendungspunkt. In dem Moment, wo in die Bewegung die Massen eingriffen, gab es für den einzelnen keinen Zugang zu den Ereignissen. Nicht nur die schwerfälligen Industriellen, Bankiers, Professoren und Ingenieure, auch die Studenten und kampfbereiten Offiziere waren verdrängt, weggestoßen, zurückgeworfen. Sie betrachteten die sich vor ihnen entwickelnden Ereignisse wie von einem Balkon aus. Gemeinsam mit General Denikin blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihre beschämende und niederdrückende Ohnmacht zu verfluchen.
    Am 30. August versandte das Exekutivkomitee an alle Sowjets die freudige Nachricht: "Unter den Truppen Kornilows herrscht völlige Zersetzung." Es wurde für eine Weile vergessen, daß Kornilow für sein Unternehmen die patriotischsten, kampffähigsten gegen den Einfluß der Bolschewiki geschütztesten Truppenteile ausgewählt hatte. Der Zersetzungsprozeß bestand darin, daß die Soldaten endgültig aufgehört hatten, den Offizieren zu vertrauen, und in ihnen den Feind erkannten. Der Kampf für die Revolution und gegen Kornilow bedeutete die Vertiefung der Zersetzung der Armee, also gerade

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