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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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den Gutsbesitzern. Gleichzeitig vereinigte die oberen und unteren Schichten das Bewußtsein ihrer Sonderstellung und Auserwähltheit, und sie waren gewohnt, nicht nur auf den Arbeiter, sondern auch auf den Bauern von oben hinabzublicken. Dies eben machte den Durchschnittskosaken so tauglich für die Rolle des Exekutors.
    Während der Kriegsjahre, als die jungen Generationen an den Fronten waren, hatten in den Kosakensiedlungen die Alten, die Träger konservativer Traditionen, eng verbunden mit ihren Offizieren, das Heft in den Händen. Unter dem Schein der auferstandenen Kosakendemokratie versammelten die Kosakengutsbesitzer in den ersten Revolutionsmonaten die sogenannten Heeresverbände, welche die Atamane, eine Art von Präsidenten, und die "Heeresregierungen" zu wählen hatten. Die offiziellen Kommissare und Sowjets der nichtkosakischen Bevölkerung besaßen in den Kosakendistrikten keine Macht, denn die Kosaken waren stärker, reicher und besser bewaffnet. Die Sozialrevolutionäre versuchten gemeinsame Sowjets aus Bauern- und Kosakendeputierten zu bilden, doch die Kosaken zeigten kein Entgegenkommen, da sie nicht ohne Grund befürchteten, daß die Agrarrevolution ihnen einen Teil ihres Bodens wegnehmen würde. Nicht zufällig entschlüpfte Tschernow in seiner Eigenschaft als Ackerbauminister der Satz: "Die Kosaken werden sich auf ihrem Boden ein wenig zusammendrängen müssen." Wichtiger noch war, daß die dortigen Bauern und die Soldaten der Infanterieregimenter immer häufiger den Kosaken sagten: "Wir werden schon an euer Land herankommen, Schluß mit eurer Herrschaft." So sah es im Hinterlande, im Kosakendorf aus, teilweise auch in der Petrograder Garnison, dem Mittelpunkt der Politik. Dies erklärt auch das Verhalten der Kosakenregimenter bei der Julidemonstration.
    An der Front war die Lage wesentlich anders. Insgesamt befanden sich im Sommer 1917 bei den aktiven Kosakenheeren 162 Regimenter und 171 Einzelhundertschaften. Von ihren Dörfern getrennt, teilten die Frontkosaken die Prüfungen des Krieges mit der gesamten Armee, machten, wenn auch mit beträchtlicher Verspätung, die Evolution der Infanterie durch, verloren den Glauben an den Sieg, ergrimmten über die Unordnung, murrten wider die Vorgesetzten, sehnten sich nach Frieden und dem Heim. Zur Ausübung des Polizeidienstes an der Front und im Hinterlande wurden allmählich aus dem Heere fünfundvierzig Regimenter und etwa fünfundsechzig Hundertschaften herausgezogen! Die Kosaken verwandelten sich wieder in Gendarmen. Soldaten, Bauern und Arbeiter wetterten gegen sie und erinnerten sie an ihre Henkerarbeit vom Jahre 1905. Vielen Kosaken, die auf ihr Verhalten im Februar stolz zu werden begonnen hatten, ward es unbehaglich. Der Kosak fing an, seine Nagajka zu verfluchen, und weigerte sich häufig, sie zu tragen. Unter Don- und Kubankosaken gab es wenig Deserteure: sie fürchteten ihre Alten in der Siedlung. Im allgemeinen blieben die Kosakentruppen viel länger in den Händen der Vorgesetzten als die Infanterie.
    Vom Don und vom Kuban kamen Nachrichten an die Front, daß die Kosakenspitzen gemeinsam mit den Alten ihre eigene Macht errichtet hätten, ohne erst die Frontkosaken zu fragen. Das weckte den schlummernden sozialen Antagonismus: "Wenn wir heimkommen, werden wir's ihnen zeigen", sagten mehr als einmal die Frontler. Der Kosakengeneral Krassnow, einer der Führer der Doner Konterrevolution, schildert malerisch, wie die festgefügten Kosakentruppenteile an der Front auseinanderkrochen: "Es begannen Meetings, wildeste Resolutionen wurden angenommen ... Die Kosaken hörten auf, die Pferde zu putzen und regelmäßig zu füttern. An irgendwelche Übungen war nicht zu denken. Die Kosaken schmückten sich mit Purpurschleifen, staffierten sich mit roten Bändern aus und wollten von einer Achtung vor Offizieren nichts hören." Ehe er jedoch endgültig in diesen Zustand geraten war, hatte der Kosak lange g3-schwankt, sich den Kopf gekratzt und gesucht, nach welcher Richtung er sich wenden solle. Es war deshalb nicht leicht, im kritischen Moment vorauszusehen, wie sich der eine oder andere Kosakentruppenteil verhalten würde.
    Am 8. August schloß der Heeresverband am Don einen Block mit den Kadetten für die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung. Die Kunde davon drang sofort in die Armee. "Bei den Kosaken", schreibt der Kosakenoffizier Janow, "wurde der Block durchwegs ablehnend aufgenommen. Die Kadettenpartei hatte in der Armee keine Wurzeln."

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