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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Lenin ist wieder in Opposition zum Zentralkomitee. Die Fragen stehen jetzt anders, aber der allgemeine Geist seiner Opposition ist der gleiche: das Zentralkomitee ist zu passiv, unterliegt zu stark der öffentlichen Meinung intellektueller Kreise, ist zu versöhnlerisch gestimmt in bezug auf die Versöhnler; und in der Hauptsache, verhält sich zu teilnahmlos, fatalistisch, nicht bolschewistisch zum Problem des bewaffneten Aufstandes.
    Es ist Zeit, von Worten zur Tat überzugehen: "Unsere Partei hält jetzt in der Demokratischen Beratung faktisch einen eigenen Kongreß ab, und dieser Kongreß muß (ob er will oder nicht) das Schicksal der Revolution entscheiden." Es ist aber nur eine Entscheidung denkbar: der bewaffnete Aufstand. In diesem ersten Brief über den Aufstand macht Lenin noch den Vorbehalt: "Es handelt sich nicht um den "Tag" des Aufstandes, nicht um seinen "Moment" im engen Sinne des Wortes. Das wird allein die Gesamtstimme jener entscheiden, die mit den Arbeitern und Soldaten, mit den Massen unmittelbar in Berührung stehen." Aber schon zwei, drei Tage danach (die Briefe aus dieser Zeit sind in der Regel ohne Datum: aus konspirativen Erwägungen, nicht aus Vergeßlichkeit) besteht Lenin unter offensichtlichem Eindruck der Fäulnis der Demokratischen Beratung auf sofortigem Übergang zu Taten und bringt sogleich einen praktischen Plan vor.
    "Wir müssen uns in der Beratung unverzüglich zu einer bolschewistischen Fraktion zusammenschließen, ohne der numerischen Stärke nachzujagen ... Wir müssen eine kurze Deklaration der Bolschewiki entwerfen ... Wir müssen unsere gesamte Fraktion in die Betriebe und Kasernen entsenden. Wir müssen gleichzeitig, ohne eine Minute Zeit zu verlieren, einen Stab aufständischer Abteilungen organisieren, die Kräfte verteilen, die treuen Regimenter auf die wichtigsten Punkte entsenden, die Alexandrinka (das Theater, in dem die Demokratische Beratung tagte) umzingeln, die Peter-PaulFestung besetzen, Generalstab und Regierung verhaften, zu den Junkern und der Wilden Division Abteilungen a> kommandieren, die eher zu sterben bereit sind, als zuzulassen, daß der Feind in die Stadtzentren marschiert; wir müssen bewaffnete Arbeiter mobilisieren, sie zum verzweifelten Endkampf aufrufen, sogleich Telegraph und Telephon besetzen, unseren Aufstandsstab bei der Telephonzentrale unterbringen, alle Fabriken, alle Regimenter, alle Punkte des bewaffneten Aufstandes mit ihm verbinden, und so weiter." Der Zeitpunkt wird nicht mehr abhängig gemacht von der "Gesamtstimme jener, die mit den Massen unmittelbar in Berührung stehen". Lenin schlägt vor, unverzüglich zu handeln: Mit einem Ultimatum aus dem Alexandrinski-Theater hinauszugehen, um dorthin zurückzukehren an der Spitze bewaffneter Massen. Der vernichtende Schlag soll sich nicht nur gegen die Regierung richten, sondern gleichzeitig auch gegen das oberste Organ der Versöhnler.
    "... Lenin, der in Privatbriefen Verhaftung der Demokratischen Beratung forderte", so enthüllt Suchanow, "schlug in der Presse, wie wir wissen, ein "Kompromiß" vor: sollen doch Menschewiki und Sozialrevolutionäre die ganze Macht nehmen, danach mag der Sowjetkongreß sprechen ... Das Gleiche verfolgte hartnäckig auch Trotzki in der Demokratischen Beratung und um sie herum." Suchanow sieht ein Doppelspiel dort, wo nicht die Spur davon ist. Lenin hatte den Versöhnlern ein Kompromiß vorgeschlagen gleich nach dem Siege über Kornilow, in den ersten Septembertagen. Achselzuckend waren die Versöhnler daran vorbeigegangen. Die Demokratische Beratung verwandelten sie in eine Dek-kung der neuen Koalition mit den Kadetten gegen die Bolschewiki. Die Möglichkeit einer Verständigung fiel somit von selbst endgültig weg. Die Frage der Macht konnte von nun an nur durch den offenen Kampf entschieden werden. Suchanow bringt hier zwei Stadien durcheinander, von denen das erste dem zweiten um vierzehn Tage voranging und dieses politisch bedingte.
    Aber wenn sich auch der Aufstand unvermeidlich aus der neuen Koalition ergab, so überraschte Lenin doch durch die Schroffheit der Wendung sogar die Spitzen der eigenen Partei. Auf der Basis seines Briefes die bolschewistische Fraktion in der Beratung zusammenzuschließen, wenn auch "ohne der numerischen Stärke nachzujagen", war offensichtlich unmöglich. Die Stimmung der Fraktion war derart, daß sie mit siebzig gegen fünfzig Stimmen den Boykott des Vorparlaments, das heißt den ersten Schritt in die Richtung des

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