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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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ohne sein Wissen geschehen und er bereite gegen die Militärische Organisation keinerlei Repressalien vor. In Wirklichkeit wartete er nur auf genügende Verstärkung von der Front.
    Während Kronstadt schon den Rückzug antrat, bereitete sich die Baltische Flotte in ihrer Gesamtheit erst zum Angriff vor. In den finnischen Gewässern stand der Hauptteil der Flotte mit einer Gesamtzahl von annähernd siebzigtausend Seeleuten; in Finnland war außerdem ein Armeekorps untergebracht, auf einer Helsingforser Hafenwerft arbeiteten etwa zehntausend russische Arbeiter. Das war eine imposante Faust der Revolution. Der Druck der Matrosen und Soldaten war derart unüberwindlich, daß sich sogar das Helsingforser Komitee der Sozialrevolutionäre gegen die Koalition aussprach. Infolgedessen forderten sämtliche Sowjetorgane der Flotte und der Armee in Finnland einmütig, daß das Zentral-Exekutivkomitee die Macht in seine Hände nähme. Zur Unterstützung ihrer Forderung waren die baltischen Seeleute bereit, jeden Moment zur Newamündung auszurücken; es hielt sie indes davon die Befürchtung ab, die Linie der Meeresverteidigung zu schwächen und der deutschen Flotte den Überfall auf Kronstadt und Petrograd zu erleichtern. Doch da geschah etwas ganz Unvorhergesehenes. Das Zentralkomitee der Baltischen Flotte der sogenannte Zen-trobalt - rief für den 4. Juli eine außerordentliche Sitzung der Schiffkomitees zusammen, in der der Vorsitzende, Dybenko, zwei soeben vom Flottenkommandeur erhaltene Geheimbefehle, versehen mit der Unterschrift des Gehilfen des Marineministers, Dudarew, bekanntgab: der erste verpflichtete Admiral Werderewski, vier Torpedoboote nach Petrograd zu schicken, um mit Gewalt die Landung der Meuterer aus Kronstadt zu verhindern; der zweite verlangte vom Flottenkommandeur, unter keinen Umständen die Ausfahrt der Schiffe aus Helsingfors nach Kronstadt zuzulassen und auch vor der Versenkung der ungehorsamen Schiffe durch Unterseeboote nicht zurückzuschrecken. Zwischen zwei Feuer geraten und vor allem um die Erhaltung des eigenen Kopfes besorgt, griff der Admiral vor und übergab dem Zentrobalt die Telegramme mit der Erklärung, den Befehl auch dann nicht erfüllen zu wollen, wenn der Zentrobalt seinen Stempel darauf geben würde. Das Verlesen der Telegramme machte auf die Seeleute einen niederschmetternden Eindruck. Zwar hatten sie bei verschiedenen Anlässen auf Kerenski und die Versöhnler geschimpft. Aber das war in ihren Augen ein innerer Sowjetkampf gewesen. Gehörte doch die Mehrheit des Zentral-Exekutivkomitees den gleichen Parteien an wie die des Distriktkomitees Finnlands, das sich soeben für die Macht der Sowjets ausgesprochen hatte. Es war klar: weder Menschewiki noch Sozialrevolutionäre konnten die Versenkung von Schiffen gutheißen, die für die Macht des Exekutivkomitees demonstrieren. Wie durfte der alte Seeoffizier Dudarew sich in den familiären Sowjetstreit einmischen, um diesen in eine Seeschlacht zu verwandeln? Gestern noch galten offiziell die großen Schiffe im Gegensatz zu den rückständigen Torpedobooten und den von der Propaganda kaum berührten Unterseebooten als die Stütze der Revolution. Gehen etwa die Behörden jetzt ernsthaft daran, die Schiffe mit Hilfe von Unterseebooten zu versenken?
    Diese Tatsachen wollten in die harten Matrosenschädel nicht hinein. Der Befehl, der ihnen nicht ohne Grund ein Alpdruck schien, war jedoch die rechtmäßige Julifrucht der Märzsaat. Bereits seit April hatten Menschewiki und Sozialrevolutionäre an die Provinz gegen Petrograd zu appellieren begonnen, an die Soldaten gegen die Arbeiter, an die Kavallerie gegen die Maschinengewehrschützen. Sie gaben den Kompanien privilegiertere Vertretungen in den Sowjets als den Fabriken; begünstigten die kleinen, vereinzelten Betriebe gegenüber den Metallgiganten. Verkörperung des gestrigen Tages, suchten sie Schutz bei Rückständigkeit jeglicher Art. Den Boden unter ihren Füßen verlierend, hetzten sie die Arrieregarde gegen die Avantgarde. Die Politik hat ihre eigene Logik, besonders in Zeiten der Revolution. Von allen Seiten bedrängt, sahen sich die Versöhnler gezwungen, General Werderewski zu beauftragen, die fortgeschrittensten Schiffe zu versenken. Zum Unglück für die Versöhnler waren die Zurückgebliebenen, auf die sie sich stützen wollten, immer mehr bestrebt, sich den Fortgeschrittenen anzugleichen: die Kommandos der Unterseeboote waren über Du-darews Befehl nicht weniger entrüstet als

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