Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Ansprache: "Hier das Winterpalais ... es muß genommen werden." In der Kronstädter Abteilung vollzog sich von selbst eine Auslese der Entschlossensten und Kühnsten. Diese Matrosen in den schwarzen Anzügen, mit Gewehren und Patronentaschen, werden bis ans Ende gehen. Schnell wird die Landung beim Konogwardejski-Boulevard vollzogen. Auf dem Schiff verbleibt nur eine Kampfwache.
Jetzt gibt es Kräfte mehr als genug. Auf dem Newski - starke Sperren, auf der Brücke des Jekaterininski-Kanals und auf der Brücke der Mojka Panzerautos und Flugzeugabwehrgeschütze, auf das Winterpalais blickend. Jenseits der Mojka haben Arbeiter Maschinengewehre in Deckung aufgestellt. Ein Panzerwagen hält Wacht auf der Morskaja. Die Newa und ihre Brücken sind in den Händen der Angreifer. Tschudnowski und Unterleutnant Daschkewitsch ist befohlen, aus den Garderegimentern Sperrketten auf das Marsfeld zu schicken. Blagonrawow soll von der Festung aus über die Brük-ke die Sperrkette des Pawlowsker Regiments berühren. Die eingetroffenen Kronstädter treten mit der Festung und der ersten Flottenequipage in Verbindung. Nach einer Artilleriebeschießung soll die Erstürmung beginnen.
Von der aktiven baltischen Flotte kommen unterdessen fünf Kampfschiffe, ein Kreuzer, zwei große Torpedoboote und zwei kleine. "So sehr wir auch mit den schon vorhandenen Kräften des Sieges gewiß gewesen waren", schreibt Flerowski, "hob dennoch das Geschenk der aktiven Flotte bei allen gewaltig die Stimmung." Admiral Werderewski konnte von den Fenstern des Malachitsaales aus die imposante revolutionäre Flottille beobachten, die nicht nur das Palais und dessen Umgebung, sondern auch die wichtigsten Stadtzugänge beherrschte.
Gegen 4 Uhr mittags berief Konowalow telephonisch alle der Regierung nahestehenden Politiker ins Palais: die belagerten Minister bedurften wenigstens moralischer Stütze. Von all den Geladenen erschien allein Nabokow; die übrigen zogen vor, ihr Mitgefühl telephonisch auszusprechen. Minister Tretjakow beklagte sieh über Kerenski und das Schicksal: das Regierungshaupt ist geflohen und hat seine Kollegen ohne Schutz gelassen. - Aber vielleicht werden Verstärkungen kommen? - Vielleicht. Warum sind sie aber noch nicht da? Nabokow zeigte Teilnahme, blickte verstohlen auf die Uhr und hatte es eilig, sich zu verabschieden. Er ging rechtzeitig weg. Bald nach 6 Uhr wurde endlich das Winterpalais von Truppen des Militärischen Revolutionskomitees dicht umstellt: es gab keinen Durchgang mehr, weder für Verstärkungen, noch für Einzelpersonen.
Aus der Richtung des Konogwardejski-Boulevards, des Admiralitätskais, der Morskaja-Straße, des Newski-Prospekts, des Marsfeldes, der Milljonaja-Straße und des Schloßkais verdichtete und verkürzte sich das Oval der Belagerung. Machtvolle Ketten zogen sich von den Gartengittern des Winterpalais, die bereits in den Händen der Belagerer waren, vom Bogen zwischen dem Schloßplatz und der Morskaja-Straße, von den Gräben an der Eremitage, von den in der Nähe des Palais liegenden Ecken der Admiralität und des Newski. Auf der anderen Seite des Flusses lauerte drohend die Peter-Paul-Festung. Von der Newa blickten die Sechszöller der Aurora. Torpedoboote patrouillierten den Fluß auf und ab. Der Aufstand bot in jenen Stunden den Anblick militärischer Manöver großen Stils.
Auf dem Schloßplatze, vor etwa drei Stunden durch die Junker gesäubert, erschienen Panzerwagen und besetzten Ein-und Ausgänge. Die alten patriotischen Namen traten noch auf der Panzerung unter den neuen Bezeichnungen, die man in Hast mit roter Farbe angebracht hatte, hervor. Im Schutz der stählernen Ungetüme fühlten sich die Angreifer auf dem Platz immer sicherer. Ein Panzerwagen fuhr ganz dicht an das Hauptportal des Palais heran, entwaffnete die Junkerposten und entfernte sich unbehindert.
Trotz der endlich vollständigen Blockade konnten die Belagerten immer noch die Verbindung mit der Außenwelt telephonisch aufrechterhalten. Zwar hatte um 5 Uhr eine Abteilung des Kexholmer Regiments das Gebäude des Kriegsministeriums besetzt, durch das das Winterpalais mit dem Hauptquartier Verbindung besaß. Aber auch danach verblieb ein Offizier allem Anschein nach noch einige Stunden am Hughes-Apparat im Mansardenraum des Ministeriums, wo nachzusehen den Siegern nicht eingefallen war. Doch nützte die Verbindung auch weiterhin nichts. Die Antworten von der Nordfront wurden immer ausweichender. Verstärkungen trafen nicht ein. Das
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