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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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in der Agrarrevolution noch manche Etappen und Wendungen geben werde. Die Instruktionssammlung war am allerwenigsten das letzte Wort. Sie stellte nur die Ausgangsposition dar, die einzunehmen die Arbeiter bereit waren, um den Bauern bei der Verwirklichung ihrer fortschrittlichen Forderungen zu helfen und um sie vor falschen Schritten zu warnen.
    "Wir könnten", sagt Lenin in seiner Rede, "den Beschluß der unteren Volksschichten nicht übergehen, auch wenn wir mit ihm nicht einverstanden wären ... Wir müssen den Volksmassen vollste schöpferische Freiheit lassen ... Es handelt sich darum, daß die Bauernschaft die feste Überzeugung gewinnt, daß es im Dorfe keine Gutsbesitzer mehr gibt und die Bauern alle Fragen selbst entscheiden und ihr Leben selbst einrichten können." Opportunismus? Nein, revolutionärer Realismus.
    Noch bevor der Beifall verstummt war, trat der rechte Sozialrevolutionär Pjanych, vom Bauern-Exekutivkomitee, auf die Tribüne mit einem wütenden Protest darüber, daß die sozialistischen Minister in Haft wären. "In den letzten Tagen geht etwas vor", schreit der Redner und hämmert wie besessen auf den Tisch, "was noch in keiner Revolution geschah. Unsere Genossen, Mitglieder des Exekutivkomitees, Maslow und Salaskin, sind ins Gefängnis gesperrt. Wir verlangen ihre sofortige Freilassung!" - "Wenn von ihrem Haupte auch nur ein Haar fällt ...", droht ein anderer Bote in Militäruniform. Beide erscheinen sie dem Kongreß wie Boten aus dem Jenseits.
    Im Moment des Umsturzes saßen unter der Anklage des Bolschewismus im Dwinsker Gefängnis etwa 800 Mann, in Minsk etwa 6.000, in Kiew 535, vorwiegend Soldaten. Und wieviel Mitglieder der Bauernkomitees weilten in verschiedenen Teilen des Landes hinter Schloß und Riegel! Schließlich ist ein guter Teil der Kongreßdelegierten selbst, beginnend mit dem Präsidium, nach dem Juli durch Kerenskis Gefängnisse hindurchgegangen. Ist es da verwunderlich, daß die Entrüstung der Freunde der Provisorischen Regierung nicht damit rechnen durfte, in dieser Versammlung die Herzen zu erschüttern? Um das Unglück voll zu machen, erhob sich von seinem Platze ein völlig unbekannter Delegierter, ein Twerer Bauer, mit langem Haar, im Schafpelz, verneigte sich höflich nach allen vier Seiten und beschwor den Kongreß im Namen seiner Wähler, auch vor der Verhaftung des gesamten Awksentjewschen Exekutivkomitees nicht haltzumachen: "Das sind nicht Bauerndeputierte, sondern Kadetten ... . ihr Platz ist im Gefängnis." So standen sich diese zwei Gestalten gegenüber: der Sozialrevolutionär Pjanych, erfahrener Parlamentarier, Vertrauter der Minister, Bolschewikenhasser, und der namenlose Twerer Bauer, der von seinen Wählern Lenin einen heißen Gruß gebracht hatte. Zwei soziale Schichten, zwei Revolutionen: Pjanych sprach im Namen des Februar, der Twerer Bauer kämpfte für den Oktober. Der Kongreß bereitet dem Delegierten im Schafspelz eine wahre Ovation. Die Boten des Exekutivkomitees entfernen sich fluchend.
    "Die Fraktion der Sozialrevolutionäre begrüßt Lenins Projekt als den Sieg ihrer Idee", erklärt Kalegajew. Jedoch angesichts der außerordentlichen Wichtigkeit der Frage sei eine fraktionelle Beratung erforderlich. Ein Maximalist, Vertreter des äußersten linken Flügels der auseinandergefallenen sozialrevolutionären Partei, drängt auf sofortige Abstimmung: "Wir müßten Ehre einer Partei erweisen, die gleich am ersten Tage, ohne zu schwatzen, an die Durchführung einer solchen Maßnahme geht." Lenin besteht darauf, daß die Pause jedenfalls möglichst kurz sei. "Die für Rußland so wichtigen Neuigkeiten müssen bis zum Morgen veröffentlicht werden. Keine Verzögerungen!" Das Bodendekret - das ist nicht nur die Grundlage des neuen Regimes, sondern auch das Werkzeug der Umwälzung, die noch vor der Aufgabe steht, das Land zu erobern. Nicht umsonst notiert Reed in diesem Moment eine gebieterische Stimme, die den Saal durchschneidet: "Fünfzehn Agitatoren ins Zimmer 17. Sofort! Sollen an die Front geschickt werden!"
    Um 1 Uhr nachts beklagt sich der Delegierte der russischen Truppen in Mazedonien, die verschiedenen Petrograder Regierungen, die einander ablösten, hätten sie vergessen. Die Unterstützung der Parole für Frieden und Land sei seitens der Soldaten in Mazedonien sicher! Dies ist die neue Überprüfung der Stimmungen in der Armee, diesmal im fernen Winkel des europäischen Südostens. Kamenjew berichtet: das 10. Radfahrerbataillon, das die

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