Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
"klagten ständig über seine Unfähigkeit zur Arbeit wie zur Leitung der Geschäfte." Kornilow hielt sich jedoch in der Hauptstadt nicht auf. In den Apriltagen versuchte er, nicht ohne Miljukows Inspiration, an der Revolution den ersten Aderlaß vorzunehmen, stieß aber auf den Widerstand des Exekutivkomitees, demissionierte, bekam das Kommando über eine Armee, später über die Südwestfront. Ohne die legale Einführung der Todesstrafe äb-zuwarten, erteilte Kornilow den Befehl, Deserteure zu erschießen und die Leichen mit entsprechenden Aufschriften an den Wegen aufzustellen, drohte den Bauern mit strengen Strafen wegen Verletzung der gutsherrlichen Besitzrechte, stellte Stoßbataillone auf und drohte bei jeder passenden Gelegenheit Petrograd mit der Faust. Das umgab seinen Namen in den Augen der Offiziere und besitzenden Klassen sogleich mit einer Aureole. Aber auch viele Kommissare Kerenskis sagten sich: keine andere Hoffnung außer Kornilow ist mehr geblieben. Einige Wochen später wurde der kriegerische General mit der kläglichen Erfahrung seines Divisionskommandos Oberbefehlshaber der in Auflösung befindlichen Vielmillionenarmee, die von der Entente gezwungen werden sollte, sich bis zum vollen Siege zu schlagen. Kornilow schwindelte der Kopf. Politisches Analphabetentum und Enge des Horizonts machten ihn zur leichten Beute von Abenteurern. Eigensinnig seine persönlichen Vorrechte verteidigend, verfiel der "Mann mit dem Herzen eines Löwen und dem Gehirn eines Hammels", wie General Alexejew und nach ihm Werchowski Kornilow charakterisierten, sehr leicht fremden Einflüssen, wenn sie nur der Stimme seines Ehrgeizes entsprachen. Der Kornilow freundlich gesinnte Miljukow vermerkt an ihm "kindliche Vertrauensseligkeit gegen Menschen, die ihm zu schmeicheln verstanden." Vertrautester Inspirator des Höchstkommandierenden, im bescheidenen Range einer Ordonnanz, war irgendein Sawo-jko - eine dunkle Persönlichkeit aus einer ehemaligen Gutsbesitzerfamilie, Petroleumspekulant und Abenteurer -, der Kornilow besonders durch seine Feder imponierte: Sawojko besaß tatsächlich den flotten Stil eines vor nichts zurückschreckenden Hochstaplers. Die Ordonnanz war Reklameregisseur, Autor der Kornilowschen "Volks"biographie, Verfasser von Denkschriften, Ultimata und überhaupt all jenen Dokumenten, die, nach dem Ausdruck des Generals, "starken, künstlerischen Stil" erforderten. Zu Sawojko gesellte sich ein zweiter Abenteurer, Aladjin, ehemaliger Deputierter der ersten Duma, der einige Jahre in der Emigration verbracht hatte, die englische Pfeife nicht aus dem Munde ließ und sich deshalb für einen Fachmann in internationalen Fragen hielt. Diese zwei standen zur Rechten Kornilows und verbanden ihn mit den Zentren der Konterrevolution. Seine linke Flanke deckten Sawinkow und Filonenko: während sie mit allen Mitteln die übertrieben hohe Selbsteinschätzung des Generals stützten, waren sie darum besorgt, daß er sich nicht vorzeitig bei der Demokratie unmöglich mache. "Zu ihm kamen Ehrliche und Ehrlose, Aufrichtige und Intriganten, politische Führer, Krieger und Abenteurer", schreibt pathetisch General Denikin, "und alle riefen mit einer Stimme: Rette!." Wie das Verhältnis von Ehrlichen und Ehrlosen war, ist nicht leicht festzustellen. Jedenfalls wähnte sich Kornilow ernstlich berufen, zu "retten", und wurde so direkter Konkurrent Kerenskis.
Die Rivalen haßten einander aufrichtig. "Kerenski hatte sich", nach den Worten Martynows, "im Verkehr mit den älteren Generalen einen hochmütigen Ton angeeignet. Der bescheidene und arbeitsame Alexejew und der diplomatische Brussilow duldeten die Geringschätzung, doch war diese Taktik unangebracht in bezug auf den selbstgefälligen und leicht verletzbaren Kornilow, der ... seinerseits von oben herab auf den Advokaten Kerenski blickte." Der Schwächere von beiden war zu Konzessionen bereit und bot ernstliche Avancen. Mindestens sagte Ende Juli Kornilow zu Denikin, aus Regierungskreisen sei ihm vorgeschlagen worden, dem Kabinett beizutreten. "Aber nein! Diese Herren sind zu sehr mit den Sowjets verbunden ... Ich sagte ihnen: geben Sie mir die Macht, und ich werde einen entscheidenden Kampf führen."
Unter Kerenskis Füßen schwankte der Boden wie Torfmoor. Einen Ausweg suchte er, wie immer, auf dem Gebiet der Wortimprovisationen: sammeln, verkünden, erklären. Der persönliche Erfolg am 21. Juli, der ihn in der Eigenschaft eines Unersetzlichen über die kämpfenden Lager der
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