Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
dürfen das nicht tun, Ihr Herz wird es Ihnen nicht erlauben!") Ich werde die Schlüssel zum Herzen, das die Menschen liebt, weit wegwerfen, ich werde nur an den Staat denken."
Im Saal stand ein Schauder, der diesmal beide Hälften erfaßt hatte. Die soziale Symbolik der Staatsberatung endete mit einem unerträglichen Monolog aus einem Melodrama. Die Frauenstimme, die sich zur Verteidigung der Blumen des Herzens erhob, erklang wie ein Notschrei, wie SOS-Rufe der friedlichen, sonnigen, unblutigen Februarrevolution. Über die Staatsberatung fiel endlich der Theatervorhang.
Kapitel 8: Kerenskis Verschwörung
Die Moskauer Beratung hatte die Lage der Regierung nur verschlechtert, indem sie, nach Miljukows richtiger Definie-rung, offenbarte, daß "das Land in zwei Lager geteilt ist, zwischen denen es dem Wesen nach keine Versöhnung und Verständigung geben kann." Die Beratung hob das Selbstgefühl der Bourgeoisie und verschärfte ihre Ungeduld. Andererseits gab sie der Bewegung der Massen neuen Anstoß. Der Moskauer Streik eröffnete eine Periode beschleunigter Umgruppierung der Arbeiter und Soldaten nach links. Die Bolschewiki wachsen von nun an unaufhaltsam. In den Massen halten sich nur noch die linken Sozialrevolutionäre und teilweise die linken Menschewiki. Die Petrograder Organisation der Menschewiki kennzeichnet ihre politische Wandlung durch Streichung Zeretellis von der Kandidatenliste für die Stadtduma. Am 16. August verlangt die Petrograder Konferenz der Sozialrevolutionäre mit zweiundzwanzig gegen eine Stimme die Auseinanderjagung des Offiziersverbandes beim Hauptquartier und sonstige entschiedene Maßnahmen gegen die Konterrevolution. Am 18. August stellt der Petrograder Sowjet, trotz Widerspruch seines Vorsitzenden Tschcheidse, die Frage der Abschaffung der Todesstrafe auf die Tagesordnung. Vor der Abstimmung über die Resolution fragt Zeretelli herausfordernd: "Und wenn eurem Beschluß die Abschaffung der Todesstrafe nicht folgen wird, werdet ihr etwa die Menge auf die Straße rufen, um den Sturz der Regierung zu fordern? ..." - "Ja", rufen als Antwort die Bolschewiki, "ja, wir werden die Menge aufrufen und werden den Sturz der Regierung herbeizuführen suchen." -"Ihr tragt jetzt den Kopf hoch", sagt Zeretelli. Die Bolschewiki trugen mit den Massen den Kopf hoch. Die Versöhnler ließen den Kopf hängen, wenn die Massen ihn erhoben. Die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe wird mit allen Stimmen, etwa 900 gegen 4 Stimmen angenommen. Diese vier sind; Zeretelli, Tschcheidse, Dan, Liber! Vier Tage später, auf dem Vereinigungskongreß der Menschewiki und der ihnen nahestehenden Gruppen, wo, bei Opposition Martows, in den grundlegenden Fragen Zeretellis Resolutionen durchgingen, wurde die Forderung nach sofortiger Abschaffung der Todesstrafe ohne Debatte angenommen: Zeretelli schwieg, bereits ohnmächtig, sich dem Ansturm zu widersetzen.
In die sich verdichtende politische Atmosphäre schnitten die Ereignisse an der Front ein. Am 19. August durchbrachen die Deutschen die russische Linie bei Üxküll, am 21. besetzten sie Riga. Die Erfüllung der Kornilowschen Prophezeiung bildete, wie vorher verabredet, das Signal zur politischen Offensive der Bourgeoisie. Die Presse verzehnfachte die Kampagne gegen die "nichtarbeitenden Arbeiter" und "nichtkämpfenden Soldaten". Die Revolution wird für alles verantwortlich gemacht: sie hat Riga übergeben, sie ist bereit, Petrograd preiszugeben. Die Hetze gegen die Armee, ebenso wütend wie anderthalb bis zwei Monate zuvor, hatte diesmal nicht den Schatten einer Berechtigung. Im Juni hatten sich die Soldaten tatsächlich geweigert, vorzugehen: sie wollten nicht die Front aufwühlen, die Deutschen aus der Passivität heraustreiben, Kämpfe aufleben lassen. Bei Riga jedoch gehörte die Initiative des Angriffs dem Feinde, und die Soldaten waren anderer Stimmung. Gerade die am meisten durchpropagierten Teile der 12. Armee erlagen Panikgefühlen am wenigsten.
Der Armeekommandierende, General Parski, rühmte sich, und nicht ganz grundlos, der Rückzug vollziehe sich "musterhaft" und könne mit dem Rückzug aus Galizien oder Ostpreußen nickt verglichen werden. Der Kommissar Wojtin-ski berichtete: "Die ihnen aufgetragenen Aufgaben im Durchbruchsgebiet erfüllen unsere Truppen ehrlich und widerspruchslos, doch sind sie nicht imstande, dem Ansturm des Feindes lange zu widerstehen, und gehen unter furchtbaren Verlusten schrittweise zurück. Ich erachte für notwendig, auf
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