Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
nachzuhelfen, wo ihre verräterischen Taten straflos bleiben konnten.
Der amerikanische Journalist John Reed, der zu sehen und zu hören verstand und der ein unsterbliches Chronikbuch über die Tage der Oktoberrevolution hinterlassen hat, sagt geradeheraus daß ein großer Teil der besitzenden Klassen in Rußland den Sieg der Deutschen einem Triumph der Revolution vorzog und sich nicht genierte, dies offen auszusprechen. "Ich hatte einmal Gelegenheit", erzählt Reed unter anderen Beispielen, "einen Abend im Hause eines Moskauer Kaufmanns zu verbringen; beim Teetisch saßen elf Menschen. Der Gesellschaft wurde die Frage gestellt, wen sie vorzögen, Wilhelm oder die Bolschewiki? Zehn von elf entschieden sich für Wilhelm." Der gleiche amerikanische Schriftsteller unterhielt sich an der Nordfront mit Offizieren, die "offen eine militärische Niederlage der Zusammenarbeit mit den Soldatenkomitees vorzogen".
Die von den Bolschewiki, und nicht von ihnen allein, erhobene politische Beschuldigung war vollauf begründet damit, daß die Übergabe Rigas dem Plan der Verschwörer entsprach und einen vorbestimmten Platz im Kalender der Verschwörung einnahm. Das schimmerte ganz klar zwischen den Worten der Moskauer Rede Kornilows hindurch. Die weiteren Ereignisse haben diese Seite der Sache restlos aufgehellt. Doch besitzen wir auch ein direktes Zeugnis, dem die Person des Zeugen eine für diesen Fall unbestreitbare Zuverlässigkeit verleiht. Miljukow erzählt in seiner Geschichte: "In Moskau eben verwies Kornilow in seiner Rede auf jenen Moment, über den hinaus er entscheidende Schritte zur "Rettung des Landes vor Untergang und der Armee vor Zerfall" nicht verschieben wollte. Diesen Moment bildete der von ihm vorausgesagte Fall Rigas. Diese Tatsache mußte, seiner Meinung nach, eine Flut patriotischer Erregung ... hervorrufen ... Wie Kornilow bei unserer Zusammenkunft in Moskau am 13. August mir persönlich sagte, wollte er diese Gelegenheit nicht verpassen, und den Moment des offenen Konfliktes mit der Kerenski-Regierung stellte er sich im Geiste klar umrissen, bis auf das im voraus festgelegte Datum des 27. August, vor." Kann man sich deutlicher ausdrük-ken? Zur Durchführung des Marsches auf Petrograd brauchte Kornilow die Übergabe Rigas einige Tage vor dem im voraus festgelegten Termin, Die Rigaer Positionen verstärken, ernste Verteidigungsmaßnahmen treffen, hätte bedeutet, den Plan einer anderen, für Kornilow unermeßlich wichtigeren Kampagne zu stören. Wenn Paris eine Messe wert ist, so ist die Macht Riga wert.
Während der Woche, die zwischen der Übergabe Rigas und Kornilows Aufstand verstrich, wurde das Hauptquartier Zentralreservoir für Verleumdung der Armee. Die Informationen des russischen Stabs und der russischen Presse fanden sofort Widerhall in der Ententepresse. Die russischen patriotischen Blätter ihrerseits druckten mit Entzücken Verhöhnungen und Beschimpfungen der Times, des Temps oder des Matin an die Adresse der russischen Armee nach. Die Soldatenfront erbebte vor Kränkung, Entrüstung und Abscheu. Kommissare und Komitees, durchwegs versöhnlerisch und patriotisch, fühlten sieh am empfindlichsten verletzt. Von allen Seiten kamen Proteste. Besonders kraß war ein Schreiben des Exekutivkomitees der Rumänischen Front, des Odessaer Militärbezirks und der Schwarzmeerflotte, des sogenannten "Rumtscherods", das an das Zentral-Exekutivkomitee die Forderung stellte: "Vor ganz Rußland den Heldenmut und die selbstlose Tapferkeit der Soldaten der Rumänischen Front anzuerkennen; die Pressehetze gegen die Soldaten einzustellen, welche täglich in Verteidigung des revolutionären Rußland zu Tausenden in erbitterten Kämpfen ihr Leben lassen ..." Unter dem Einfluß der Proteste von unten traten die Versöhnlerspitzen aus ihrer Passivität heraus.
"Es will scheinen, als existiere kein Schmutz, den die bürgerlichen Zeitungen nicht gegen die revolutionäre Armee schleuderten", schrieben die Iswestja über ihre Blockverbündeten. Aber nichts verfing. Die Hetze gegen die Armee bildete einen notwendigen Bestandteil jener Verschwörung, in deren Zentrum das Hauptquartier stand.
Gleich nach der Räumung Rigas erteilte Kornilow telegraphisch Befehl, einige Soldaten vor den Augen der übrigen am Wege zu erschießen als warnendes Exempel. Kommissar Wojtinski und General Parski antworteten, daß sich ihrer Meinung nach aus dem Verhalten der Soldaten solche Maßnahmen keinesfalls rechtfertigen ließen. Außer
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