Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
sich erklärte Kornilow in der Versammlung der im Hauptquartier anwesenden Komiteevertreter, er werde Wojtinski und Parski vor Gericht stellen, weil sie keine wahrheitsgemäßen Berichte über die Lage in der Armee geben, das heißt, nach Stanke-witschs Erläuterung, "die Schuld nicht auf die Soldaten abwälzen". Zur Vervollständigung des Bildes muß hinzugefügt werden, daß Kornilow am gleichen Tage den Armeestäben befohlen hatte, Listen der bolschewistischen Offiziere dem Hauptkomitee des Offizierverbandes einzuschicken, also der konterrevolutionären Organisation, an deren Spitze der Kadett Nowossilzew stand und die der wichtigste Hebel der Verschwörung war. So der Höchstkommandierende, "der Erste Soldat der Revolution"!
Entschlossen, ein Zipfelchen des Vorhanges zu lüften, schrieben die Iswestja: "Eine finstere Clique, den höchsten Kommandostellen sehr nahestehend, leistet ungeheuerliche Provokationsarbeit" ... Mit "finstere Clique" war Kornilow und dessen Stab gemeint. Das Wetterleuchten des nahenden Bürgerkrieges erhellte in neuem Lichte nicht nur den heurigen, sondern auch den gestrigen Tag. Im Wege der Selbstverteidigung begannen die Versöhnler das verdächtige Verhalten des Kommandobestandes während der Junioffensive zu enthüllen. In die Presse drangen immer mehr Einzelheiten über die von den Stäben böswillig verleumdeten Divisionen und Regimenter. "Rußland hat das Recht, zu verlangen", schrieben die Iswestja, "daß man ihm die ganze Wahrheit über unseren Julirückzug offenbart." Diese Zeilen wurden von Soldaten, Matrosen, Arbeitern gierig gelesen, besonders von jenen, die als angebliche Schuldige der Katastrophe an der Front noch immer die Gefängnisse füllten. Zwei Tage später sahen sich die Iswestja gezwungen, nunmehr offen zu erklären, "das Hauptquartier verfolgt mit seinen Meldungen ein bestimmtes politisches Spiel gegen die Provisorische Regierung und die revolutionäre Demokratie". Die Regierung erschien in diesen Zeilen als unschuldiges Opfer der Ränke des Hauptquartiers. Dabei sollte man doch meinen, die Regierung hätte alle Möglichkeiten gehabt, die Generale in die Schranken zu weisen. Unterließ sie es, so deshalb, weil sie nicht wollte.
In dem obenerwähnten Protest gegen die heimtückische Soldatenhetze wurde vom "Rumtscherod" mit besonderer Entrüstung darauf verwiesen, daß, "während die Berichte aus dem Hauptquartier ... den Heldenmut der Offiziere unterstreichen, sie offenbar absichtlich die Ergebenheit der Soldaten für die Sache der Verteidigung der Revolution verkleinern". Der Protest des "Rumtscherod" erschien in der Presse am 22. August, und am nächsten Tage wurde ein Sonderbefehl Kerenskis veröffentlicht, gewidmet der Ehrung des Offiziersstandes, der "seit den ersten Tagen der Revolution die Schmälerung seiner Rechte erleben mußte" sowie unverdiente Kränkungen seitens der Soldatenmasse, "die ihre Feigheit mit ideologischen Parolen verhüllte". Während seine nächsten Gehilfen, Stankewitsch, Wojtinski und andere, gegen die Soldatenhetze protestierten, schloß sich Kerenski demonstrativ der Hetze an, die er durch den provokatorischen Befehl als Kriegsminister und Regierungshaupt noch krönte. Später hat Kerenski eingestanden, daß er bereits Ende Juli "genaue Mitteilungen" in Händen gehabt hätte über die Offiziersverschwörung, die sieh um das Hauptquartier gruppierte. "Das Hauptkomitee des Offiziersverbandes stellte", nach Kerenskis Worten, "aus seiner Mitte die aktiven Verschwörer, seine Mitglieder waren lokale Agenten der Konspiration; sie gaben auch bei den legalen Aktionen des Verbandes den nötigen Ton an." Das ist vollkommen richtig. Es muß nur hinzugefügt werden, daß der "nötige Ton" der Ton der Verleumdung gegen Armee, Komitees und Revolution war, das heißt der gleiche Ton, von dem Kerenskis Befehl vom 23. August durchdrungen war.
Wie ist dieses Rätsel zu erklären? Daß Kerenski keine überlegte und konsequente Politik trieb, ist unbestreitbar. Doch hätte er unzurechnungsfähig sein müssen, um, von der Offiziersverschwörung wissend, dein Säbel der Verschwörer den Kopf hinzuhalten und ihnen gleichzeitig zu helfen, sich zu maskieren. Die Lösung des auf den ersten Blick unfaßbaren Verhaltens Kerenskis ist in Wirklichkeit sehr einfach: er selbst war zu jener Zeit Teilnehmer der Verschwörung gegen das ausweglose Regime der Februarrevolution.
Als die Zeit der Geständnisse gekommen war, bekundete Kerenski, daß man ihm aus
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