Geschichte der Tuerkei
1954 wurde ein geheimes Abkommen mit den USA zur Errichtung von Militärbasen geschlossen. In einer Rundfunkrede erklärte Außenminister Köprülü: «Der Kalte Krieg geht weiter …» 1957 spitzte sich ein Konflikt mit Syrien zu, wo die USA eine kommunistische Machtübernahme durch radikale Offiziere befürchteten. Außenminister Dulles sah «die größte Gefahr für uns seit dem Korea-Krieg», wobei bis heute unklar ist, ob die Türkei auf die Amerikaner reagierte und die Absicht hatte, mit Truppen einzugreifen.
Die bevorstehende Unabhängigkeit Zyperns (1960), das 1878 auf unbestimmte Zeit (bei Zahlung eines jährlichen «Tributs») an Großbritannien abgetreten und im November 1914 förmlich annektiert worden war, verschlechterte das Verhältnis zu Griechenland. Als am 6. September 1955 ein Anschlag auf Atatürks damals noch als Geburtsstätte geltendes Wohnhaus in Saloniki gemeldet wurde, kam es in Istanbul zu einer mit Sicherheit staatlichgesteuerten Protestkundgebung, die in pogromartigen Übergriffen gegen griechische Läden und Privathäuser ausuferte. Obwohl das Militär die Unruhen sofort hätte unterdrücken können, wurde erst am folgenden Tag der Ausnahmezustand in Istanbul, İzmir und Ankara erklärt. Menderes sprach von einer «kommunistischen Provokation» und rechtfertigte sich mit der Erklärung, eine Psychose habe das ganze Land erfasst und die Polizei «gelähmt». Im Zuge der Übergriffe verbrannten 29 griechische Kirchen, 14 wurden geplündert. Vor Gericht wurden darüber hinaus Schäden an 26 griechischen und armenischen Schulen, an 4214 Wohnungen und 1004 Läden und Werkstätten registriert.
Bei den vorgezogenen Wahlen im Oktober 1957 fiel die Menderes-Partei erstmals unter die 50 % Marke (47, 7 %), konnte aber immer noch 70 % der Sitze einnehmen. Angesichts einer sich stark verschlechternden Wirtschaftslage wurde diese Verzerrung als besonders ungerecht empfunden. Grundnahrungsmittel wie Zucker waren knapp geworden, der unentbehrliche Kaffee wurde rationiert. Die ausufernden
Gecekondus
in Ankara und Istanbul waren Ausdruck einer massiven Landflucht, an der auch die Ausweitung der Anbaufläche nichts Wesentliches änderte.
Wachsende Auslandsschulden zwangen das Land, Zuflucht beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu nehmen, dem es schon 1947 beigetreten war. Nach einer massiven Abwertung der Lira im August 1958 gewährte der Westen einen Zahlungsaufschub. Ein Jahr später, am 31. Juli 1959, bewarb sich die Türkei wenige Wochen nach Griechenland um die assoziierte Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), «nicht zuletzt, um zu verhindern, dass der Rivale jenseits der Ägäis sich eine vorteilhafte Position im Verhältnis zu Europa verschaffen könnte» (Heinz Kramer). Als der deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard kurz danach die Türkei besuchte, lobte er die Regierung nach einer erneuten massiven Abwertung der Lira: «Euer Stabilisierungsprogramm ist gut. Die Türkei muss in den europäischen Markt aufgenommen werden.»Deutschland hatte sich nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen gleichsam «aus dem Stand» – wie schon 1932–1939 und 1942–1944 – auf den ersten Platz der türkischen Handelspartner gesetzt und beim Aufbau verschiedener Industriezweige (Zement, Kunstdünger, Elektrizitätswerke) erneut eine bedeutende Rolle gespielt.
Nach wie vor fehlte allerdings eine systematische, staatliche und private Interessen berücksichtigende Investitionsplanung. Der Staatsplaner Atilla Sönmez fasste die Bedeutung der Menderes-Zeit für die folgenden Regierungen zusammen: «Die Politik von Menderes war den Bauern zugewandt, zugleich aber wurde sie von der Inflation unterhalten. Um die äußerst unproduktive Landwirtschaft der Türkei mit ihren ertragsarmen Haselnusssträuchern, Getreide, Gemüse und Obst am Leben zu erhalten und die Bauern zufrieden zu stellen, war sie auf Subventionen angewiesen. Um diese Subventionen zu gewähren, hätte man die Städter besteuern müssen, wozu uns aber der Mut fehlte. Demzufolge finanzierten wir sie mittels Inflation. Deshalb wandten wir uns immer wieder an den IWF und nahmen von dort Geld auf. Alle nachfolgenden Politiker, an ihrer Spitze Süleyman Demirel, aber auch Bülent Ecevit, Alparslan Türkeş, Tansu Çiller und Mesut Yılmaz, haben sich als die Erben von Menderes so verhalten.»
Der religionspolitische Kurs der DP war nicht eindeutig: Einerseits etwa meldete 1954 eine Zeitung, dass die
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