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Geschichte der Tuerkei

Geschichte der Tuerkei

Titel: Geschichte der Tuerkei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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den Regelschulen gleichzustellen und ihren Absolventen den Zugang zum höheren Staatsdienst einschließlich der Militärakademie zu öffnen. Durch die nun verordnete Schließung der Mittelstufe der İHL sank ihre Attraktivität deutlich, weil jetzt die Absolvierung der achtjährigen Elementarschule Zugangsvoraussetzung wurde. Bis zum Schuljahr 2004/05 gingen die İHL-Schülerzahlen von 511.502 im Schuljahr 1996/97 auf 98.700 drastisch zurück. Erbakan hatte das aus 18 Punkten bestehende Programm des Militärs zwar als Teilnehmer der Sitzung unterschrieben, machte aber aus seiner Gegnerschaft kein Hehl. Daraufhin wurde die RP vom Verfassungsgerichtshof nach Artikel 69 verboten: «Die Schließung politischer Parteien erfolgt durch Entscheidung des Verfassungsgerichts aufgrund einer Klage, die von der Generalstaatsanwaltschaft der Republik zu erheben ist.» Unverblümt war eine Äußerung des Generalstaatsanwalts Vural Savaşçı vom Oktober 1998 zur «Tugendpartei» (
Fazilet Partisi,
FP) als RP-Nachfolgerin: Er würde diese «auch dann verbieten, wenn sie99,9 % der Stimmen erhalte». Im Juni 2001 musste auch sie ihre Tätigkeit einstellen. Durch diese höchstrichterliche Beschneidung des islamistischen Randes des Parteienspektrums konnte im Frühjahr 1999 ein Kabinett Ecevit mit Unterstützung von MHP und ANAP antreten. Schon aus der Wahl der Koalitionspartner konnte man ablesen, dass sich der gealterte Ecevit zu dem hartleibigen Nationalisten entwickelt hatte, der er manchen Beobachtern zufolge unter der Schale des europäisch eingestellten Humanisten immer schon gewesen war.
    Während die Polarisierung der Gegner und Anhänger eines politischen Islams gegen Ende des Jahrtausends zunahm, schien sich an der kurdischen Front eine Beruhigung abzuzeichnen. Nach der Festnahme des PKK-Chefs Öcalan in Nairobi (15. Februar 1999) gab die Organisation im Jahr 2000 ihre Selbstauflösung bekannt. Die politischen Streitigkeiten wurden im August 1999 durch ein folgenreiches Erdbeben im Marmara-Raum, das 17.000 Menschenleben kostete, jäh unterbrochen. In der Folge erlebte die Türkei viel internationale Solidarität, insbesondere von Griechenland, es zeigte sich aber auch deutlich, wie wenig die Aufsichtsbehörden geltende Bauvorschriften kontrolliert hatten. Die kurdische «Partei der Volksdemokratie» (
Halkın Demokrasi Partisi,
HADEP) war bei Regionalwahlen in sieben Provinzen erfolgreich und eroberte 37 Bürgermeistersitze. Ab 2003 nahm die PKK ihren Kampf jedoch wieder auf, offensichtlich war das kurdische Problem nicht gelöst. Die Auseinandersetzungen zwischen Armee und PKK hatten 40.000 Tote gekostet, 3000 Dörfer waren zerstört worden und Hunderttausende gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Unter diesen Umständen wurde ein Diskurs vorherrschend, der nicht nur die PKK, sondern «die Kurden» (wie ein homogenes Subjekt) als «den Feind» definierte. «Dieser schlichte nationalistische Diskurs, der die Kurden als Barbaren definiert, indem er sie nicht nur in politischer, sondern auch sozialer und ethischer Hinsicht kriminalisiert, signalisiert die gefährliche Ersetzung des assimilatorischen Optimismus durch eine gewaltsame Nichtassimilation» (Tanıl Bora). Gleichzeitig scheint sich der kurdische Nationalismus immer mehr als eine Art «Strukturplagiat» desKemalismus zu erweisen, mit Elementen wie dem Personenkult um Öcalan, ahistorischen Behauptungen von einer seit jeher bestehenden Präsenz in Raum und Geschichte und der alleinigen Schuldzuweisung an den Christenmassakern des Ersten Weltkriegs an die «Gesellschaft für Einheit und Fortschritt».
    Die Beziehungen zur EU waren, nachdem Brüssel ehemals kommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas Beitrittsperspektiven eröffnet hatte und, was für die Türkei besonders schmerzlich war, auch mit Zypern Verhandlungen aufgenommen hatte, angespannt. Überraschenderweise begrüßte der Europäische Rat beim Helsinki-Gipfel (10./11. November 1999) über die Erweiterung der EU «die jüngsten positiven Entwicklungen in der Türkei wie auch ihre Absichten, die Reformen in Übereinstimmung mit den Kopenhagen-Kriterien fortzusetzen». Mit Helsinki war das Land ein Kandidaten-Staat, der denselben Kriterien zum Beitritt unterworfen wurde wie die übrigen Bewerber, was mit tiefgehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Umbauaufgaben verbunden war.
    Mit der Wahl des parteilosen Ahmed Necdet Sezer (geb. 1941) am 16. Mai 2000 wurde ein ehemaliger Vorsitzender des

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