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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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zwischen der Ost- und der Westküste der USA gab. Der Eisenbahnbau lag im Interesse von Landwirtschaft und Industrie; durch ihn konnten die «Great Plains» erstmals in großem Stil von Rinderzüchtern und Farmern in Besitz genommen und Gold- und Silbersucher rasch in die Rocky Mountains befördert werden.
    Zu den Nutznießern gehörten auch die zahlreichen Büffeljäger, die die Bisonherden westlich des Mississippi auszurotten begannen, womit sie den Lebensraum der Prärieindianer vernichteten. Die Politik der Bundesregierung in Washington zielte darauf ab, die westlichen Stämme in Reservaten anzusiedeln; sie stieß aber, vor allem bei den Sioux und Cheyenne, auf erbitterten Widerstand. Nach einem Ausbruch aus dem ihnen zugewiesenen Reservat in South Dakota gelang den Sioux unter ihren Häuptlingen Crazy Horse und Sitting Bull zusammen mit den Cheyenne im Juni 1876 am Little Bighorn River im südlichen Montana ein letzter militärischer Erfolg: der Sieg über General George Custer, der sie mit einer kleinen Truppe von etwa 260 Mann in ihr Reservat zurücktreiben wollte. Die letzte Schlacht der Indianerkriege war das Massaker von Wounded Knee in der winterlichen Prärie South Dakotas am 29. Dezember 1890, bei dem etwa 200 ausgehungerte Sioux, und zwar Männer, Frauen und Kinder, bei einem der von der Regierung verbotenen rituellen Tänze von Bundestruppen niedergemetzelt wurden.
    Bereits drei Jahre zuvor hatte die Bundesregierung unter der Präsidentschaft des Demokraten Grover Cleveland mit einem Landverteilungsgesetz, dem Dawes Severalty Act, einen Kurswechsel in der Indianerpolitik vollzogen: Die Selbstverwaltung mitsamt dem gemeinsamen Landbesitz in den Reservaten sollte beseitigt und Indianerfamilien eine bestimmte Fläche Land (160 acres, knapp 6.500 Quadratkilometer, für weitere Erwachsene die Hälfte) zur Verfügung gestellt werden, das dann für die Dauer von 25 Jahren vor Verkauf an weiße Farmer oder Spekulanten zu schützen war. Das Ziel des Dawes Act war die Erziehung der Indianer zur Seßhaftigkeit und zu selbständigen Farmern, also die Aufgabe der Stammeskultur und die Assimilation an die weiße Gesellschaft; nach Ablauf von 25 Jahren sollte allen Indianern das volle Bürgerrecht zustehen.
    Das Landzuteilungsgesetz war auch eine Reaktion auf anhaltende Proteste gegen die fortschreitende Ausrottung der Indianer. Aber die Wirkungen waren weniger human als die Motive mancher Väter des Gesetzes. Im Vollzug des Dawes Act wurden viele Kinder von ihren Eltern getrennt und auf Schulen geschickt, die unter Leitung von Weißen standen. Durch Förderung der christlichen Missionsarbeit und Kirchenbau in den Reservaten hofften die Beauftragten der Regierung die indianischen Stammesreligionen überwinden zu können. Das Land, das die Indianer erhielten, war meist von schlechter Bodenqualität; besseres ging in den Besitz weißer Siedler über. Doch auch da, wo Indianer gutes Land bewirtschaften konnten, fehlte es ihnen an den dafür notwendigen Mitteln und Fertigkeiten. Die Folge war verbreitete Armut, oft begleitet von Trunksucht. Bis 1924 verloren die Indianerstämme 60 Prozent des Landes, das 1887 zu den Reservaten gehört hatte. Nach der Verabschiedung des Dawes Act dauerte es fast ein halbes Jahrhundert, bis 1934 der Indian Reorganization Act Konsequenzen aus dem Scheitern der bisherigen Assimilationspolitik zog und eine Wiederherstellung der Selbstverwaltung der überlebenden Stämme einleitete.
    Der Ausbau des Eisenbahnnetzes trieb in Amerika, nicht anders als in Europa, die Industrialisierung weiter voran. In den ersten zweieinhalb Jahrzehnten nach dem Bürgerkrieg stiegen die USA zur führenden Industriemacht der Welt auf: 1895 war die industrielle Produktion Amerikas zweimal so groß wie die deutsche; Großbritannien war inzwischen auf den dritten Platz zurückgefallen. «The Gilded Age», das vergoldete Zeitalter, nannte man später, in Anlehnung an den Titel eines 1873 erschienenen satirischen Romans von Mark Twain und Charles Dudley Warner, die Zeit von 1865 bis zum Ende der achtziger Jahre.
    Die Industrialisierung ging mit einem gewaltigen Konzentrationsprozeß einher. 1870 gründete John D. Rockefeller in Cleveland, Ohio, die Standard Oil Company; zwölf Jahre später wurde aus ihr der erste «Trust», ein Zusammenschluß von Firmen in einer Dachgesellschaft, bei dem, anders als beim Konzern, die einzelnen Unternehmen ihre Selbständigkeit verloren. Wiederum zehn Jahre später kontrollierte die

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