Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
Vereinigung und 1887 die Norwegische Arbeiterpartei, Det Norske Arbeiderparti, gegründet. 1903 zog sie erstmals mit fünf Abgeordneten in das Storting ein: ein deutliches Zeichen der zunehmenden Industrialisierung Norwegens und der wachsenden Zahl der Industriearbeiter. Schon vorher, 1892, hatte die bürgerlich-bäuerliche Linke eine Arbeiterschutzgesetzgebung eingeleitet, die die Beschränkung der Kinderarbeit und eine staatliche Unfallversicherung mit sich brachte. 1898 folgte die Einführung des allgemeinen gleichen Stimmrechts für Männer. Die Frauen erhielten 1913 ein durch ein Mindestmaß an Steuerleistungen eingeschränktes und 1938 das allgemeine Wahlrecht.
    Energischer als die Konservativen arbeitete die in Gemäßigte und Radikale gespaltene Linke auf die Auflösung der Union mit Schweden hin. 1898 beschloß das Storting gegen den erklärten Willen des Königs die Einführung einer norwegischen Staats- und Handelsflagge. Die letzte Chance der Konservativen, die Union zu erhalten, wurde zerstört, als das Außenministerium in Stockholm sich anschickte, die neugeschaffenen norwegischen Konsulate seiner Aufsicht zu unterstellen, und der König sich weigerte, den Entwurf eines neuen norwegischen Konsulatsgesetzes zu unterzeichnen. Am 7. Juni 1906 erklärte das Storting die Union für aufgelöst. König Oskar II. protestierte; der schwedische Reichstag verlangte Neuwahlen oder ein Referendum in Norwegen. Am 13. August 1905 fand die Volksabstimmung statt. Sie hatte ein fast einstimmiges Ergebnis: 368 208 Ja-Stimmen standen nur 184 Nein-Stimmen gegenüber. Die monarchische Staatsform wollten die Norweger indes beibehalten: In einer weiteren Volksabstimmung sprach sich am 12. und 13. November 1905 eine große Mehrheit für den dänischen Prinzen Karl als König aus. In Anknüpfung an das norwegische Königtum des Mittelalters nahm er den Titel Haakon VII. an.
    Eine ähnlich evolutionäre Entwicklung wie in den nordischen Staaten vollzog sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert im Königreich der Niederlande. Es war, anders als die skandinavischen Monarchien, nicht lutherisch, sondern calvinistisch geprägt, zugleich aber ein gemischt konfessionelles Land mit einem katholischen Bevölkerungsanteil von 35 Prozent. Die Landwirtschaft ging auch hier mit großem Erfolg vom Ackerbau zur Viehzucht und zur Veredelungswirtschaft über; dazu kam der kommerziell betriebene Gartenbau. Die industrielle Entwicklung setzte im größeren Stil erst spät, im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts, ein und hatte ihre Schwerpunkte in der Nahrungsmittel-, der chemischen und der Maschinenindustrie. Politisch waren die Niederlande seit 1868 eine parlamentarische Monarchie; das Wahlrecht wurde in mehreren Schüben erweitert: 1883 stieg der Anteil der Wahlberechtigten von 13 auf 29 Prozent der erwachsenen männlichen Bevölkerung, 1896 dann auf 49 Prozent. Das allgemeine gleiche Männerwahlrecht, für das sich vor allem die Sozialdemokraten einsetzten, wurde 1917 eingeführt, das Frauenwahlrecht 1922.
    Das südliche Nachbarland, das Königreich Belgien, war seit seiner Gründung im Jahre 1831 eine parlamentarische Monarchie. Das allgemeine gleiche Wahlrecht, dessen Vorkämpfer auch hier die Sozialdemokraten waren, wurde 1919 eingeführt (im gleichen Jahr, in dem auch das seit 1848 parlamentarisch regierte Großherzogtum Luxemburg zu diesem Wahlrecht überging). Den Frauen wurde in Belgien freilich 1919 nur das aktive Wahlrecht zugestanden, das passive erst drei Jahrzehnte später, 1949 (Luxemburg hatte 1919 eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen). Anders als die Niederlande war das überwiegend katholische Belgien nicht konfessionell, sondern sprachlich gespalten: Spannungen zwischen den Niederländisch sprechenden Flamen, die die Mehrzahl der Bevölkerung stellten, und den frankophonen Wallonen ergaben sich daraus, daß das industriell entwickelte steinkohlenreiche Wallonien wirtschaftlich und kulturell den Ton angab. 1898 gelang den Flamen, unterstützt von den in Flandern besonders starken Christlichen Demokraten, durch das Gleichheitsgesetz ein erster Erfolg im Kampf um die Gleichberechtigung ihrer Sprache: Gesetze waren fortan in niederländischer und französischer Sprache gleichermaßen gültig. Ein dauerhafter Ausgleich zwischen beiden Sprachgruppen war aber nur zu erwarten, wenn das binationale Belgien von einem zentralistischen zu einem föderalistischen Staatsaufbau überging: eine Entscheidung, zu der sich das

Weitere Kostenlose Bücher