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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Independent Labour Party, eine andere Untergliederung der Labour Party, verwarf im gleichen Jahr mit großer Mehrheit einen Anschluß an dieKomintern; im März 1921 wurden die 21 Bedingungen vom Parteitag in Southport mit 618 zu 97 Stimmen abgelehnt. Für die Labour Party als Ganze verstand sich das Nein zur Unterwerfung unter ein Moskauer Diktat ohnehin von selbst. Auf der Parteikonferenz von 1923 erklärte deren Präsident, der Fabier Sidney Webb, der Gründer des britischen Sozialismus sei nicht Karl Marx, sondern Robert Owen gewesen, und der habe «nicht den ‹Klassenkampf›, sondern die uralte Lehre von der menschlichen Bruderschaft gepredigt, die Hoffnung, den Glauben, die lebendige Tatsache der menschlichen Verbundenheit».
    In seiner «Geschichte der Internationale» hat der Historiker Julius Braunthal auf den evolutionären Grundzug der englischen Geschichte seit der Glorious Revolution von 1688/89 verwiesen und diese Erfahrung als Hauptgrund dafür genannt, daß sich die britische Arbeiterbewegung weder Marx noch später Lenin anschloß. Durch die Konzentration aller Macht im Parlament und die Ausweitung des Wahlrechts seien schließlich auch der Arbeiterklasse die Tore zur Macht geöffnet worden. «Sie konnte nun hoffen, ohne Bürgerkrieg und Revolution, im Ringen um die Seelen der Volksmehrheit, die sozial der Arbeiterklasse angehört, durch die Eroberung des Parlaments die Macht im Staat zu gewinnen. Der Bürgerkrieg als Methode im Kampf um den Sozialismus war jedenfalls ein fremdes Element im Gedankenbild des englischen Sozialismus gewesen. Die Theorien des Bolschewismus – die Verherrlichung der Gewalt als schöpferische Kraft des Sozialismus, der blutige Bürgerkrieg als eine unvermeidbare Phase im Kampf um den Sozialismus, die terroristische Diktatur als unerläßliches Instrument seiner Verwirklichung – vermochten in den Massen der englischen Sozialisten keinen sympathischen Widerhall zu erwecken; sie standen in Disharmonie zu ihren traditionellen Vorstellungen und Gefühlen.» Es war nach alledem nicht erstaunlich, daß die 1920 gegründete Kommunistische Partei Großbritanniens über den Status einer linken Splittergruppe nie hinauskam.
    Für den Teil der sozialistischen Linken, der sich den 21 Bedingungen nicht unterwerfen wollte, ergab sich aus der Erfahrung des Jahres 1920 die Notwendigkeit, sich enger zusammenzuschließen. Ein Anschluß an die Zweite (oder, wie man sie wegen der Führungsrolle der Labour Party und des Sitzes ihres Sekretariats gern nannte, die Londoner) Internationale kam nicht in Frage: Diese hatte sich auf ihrem Kongreßin Genf Anfang August 1920 ohne jede Einschränkung zur parlamentarischen Demokratie bekannt und das kommunistische System als Tyrannei einer kleinen Minderheit gebrandmarkt. Auf eine enge Zusammenarbeit der Parteien, die weder der Moskauer noch der Londoner Internationale angehörten, drängten vor allem die Independent Labour Party, die im Frühjahr 1920 auf ihrem Glasgower Parteitag ihre Verbindungen zur Zweiten Internationale gelöst hatte, die USPD und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz.
    An einer Vorkonferenz in Bern beteiligten sich im Dezember 1920 außer diesen Parteien die sozialistischen Parteien Frankreichs, Österreichs und der Tschechoslowakei sowie die russischen Menschewiki, die damals noch keine reine Exilpartei waren. Der Zusammenschluß zu einer eigenen Internationale, der Internationalen Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien, von der Komintern spöttisch «Internationale 2½» genannt, erfolgte im Februar 1921 in Wien. An dem Treffen nahmen 20 sozialistische Parteien aus 13 Ländern, vertreten durch 71 Delegierte, teil. An die Spitze der Wiener Internationale (dies der gängige Name) trat als Sekretär der Österreicher Friedrich Adler. Die neue Internationale grenzte sich vom «reformistischen Ministerialismus» ebenso scharf ab wie vom Sektierertum der Kominternparteien, schloß aber in der Folgezeit eine zweckgebundene Zusammenarbeit mit den beiden konkurrierenden Internationalen nicht aus.
    Das tat seit ihrem Dritten Weltkongreß, der vom 22. Juni bis 12. Juli 1921 in Moskau stattfand, auch die Komintern nicht mehr. In fast allen Ländern außerhalb Sowjetrußlands in die Defensive gedrängt, ließen die Bolschewiki das EKKI im Dezember 1921 Leitsätze für eine «Einheitsfrontpolitik» von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaften verabschieden, wobei die neue Taktik natürlich mit unvermindert

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