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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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dieser Anstieg besonders deutlich zu spüren. Bei der Firma Opel in Rüsselsheim war 1912 ein Tarifvertrag zustandegekommen, der den Arbeitern einen Mindestlohn garantierte und finanzielle Zuwendungen gewährte. In den meisten Unternehmen gab es geregelte Arbeitszeiten, viele von ihnen, vor allem die großen, boten ihren Mitarbeitern freiwillige Sozialleistungen. Die Chemie- und Farbenfabrik Hoechst bei Frankfurt und das Arzneimittelunternehmen Merck in Darmstadt besaßen eigene Werkswohnungen, der Waggonhersteller Wegmann in Kassel verfügte über ein eigenes Schwimmbad, und das Lokomotivenwerk Henschel, ebenfalls in Kassel, ermöglichte seinen Mitarbeitern den Besuch weiterführender Lehr- und Ausbildungsstätten. 1906 streikten in Offenbach die Metallarbeiter, es kam zu Aussperrungen und Protestaktionen, schließlich einigten sich Gewerkschaften und Arbeitnehmer auf eine Lohnerhöhung.
2. Von der Demokratie zur Diktatur
    Hessen wird Republik.
Hessische Regimenter hatten nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 an den verschiedensten Fronten in West und Ost gekämpft und vor allem bei Gefechten in Belgien schwere Verluste erlitten. Allein die Stadt Frankfurt am Main verzeichnete 1918 über 10.000 Kriegstote, von allen auf dem Territorium des Großherzogtums Hessen vor 1914 zwischen 15 und 40 Jahre alten Männern war etwa ein Achtel ums Leben gekommen. Großherzog Ernst Ludwig hatte seit 1915 in Briefen an seinen Schwager, Zar Nikolaus II. von Rußland,mehrfach eine Friedensvermittlung angeregt und im März 1917 mit gebotenem Ernst sein 25jähriges Thronjubiläum begehen können. Seine Position blieb bis zum November 1918 unangefochten. Im Oktober 1918 war sogar kurzzeitig ein hessischer Prinz, Friedrich Karl von Hessen-Kassel (1868–1940), als Kandidat für den neugeschaffenen finnischen Königsthron im Gespräch. Das abrupte Ende der landesherrlichen Monarchie in Darmstadt jedenfalls entsprach angesichts der uneingeschränkten Popularität des großherzoglichen Hauses keineswegs dem Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Hessens letztes gekröntes Haupt teilte nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg das Los aller deutschen Bundesfürsten, deren Stellung im Strudel der Kriegsniederlage und des militärischen Zusammenbruchs implodierte. Am 8. und 9. November 1918 kam es in allen größeren Städten Hessens zu Unruhen – meist provoziert von revolutionären Matrosen – und zur Übernahme der Vollzugsgewalt durch Arbeiter- und Soldatenräte. Der in Darmstadt gebildete «Hessische Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat» erklärte Hessen zur «freien sozialistischen Republik» und Ernst Ludwig für abgesetzt. An die Stelle des Großherzogtums Hessen trat der «Volksstaat Hessen» mit einer republikanischen Staats- und einer parlamentarischen Regierungsform. Das Land gab sich eine Verfassung liberaldemokratischen Zuschnitts, die am 12. Dezember 1919 in Kraft trat und durch Wahlgesetze ergänzt wurde.
    Die Verfassung des «Volksstaates Hessen» bekannte sich zum Prinzip der Volkssouveränität und führte erstmals das allgemeine, gleiche Wahlrecht auch für Frauen ein. Zudem gewährte sie die Möglichkeit von Volksbegehren und Volksabstimmungen. Neben der Gesetzgebung und der Steuerbewilligung gehörten zu den Aufgaben und Rechten der Volksvertretung die Einsetzung, Kontrolle und Abberufung des Ministeriums sowie die Wahl des Ministerpräsidenten – im Volksstaat Hessen trug er den Titel «Staatspräsident». Das Amt verblieb während der gesamten Weimarer Zeit bei den Sozialdemokraten. All das waren zentrale Elemente zur Förderung einer demokratischen politischen Kultur modernen Zuschnitts. Wenn sie in den Folgejahrengleichwohl nicht jene Entwicklungsdynamik entfalteten, die sich ihre Urheber wohl von ihnen erhofft hatten, so lag dies wesentlich an der generell stark eingeschränkten politischen Mitwirkungsmöglichkeit der deutschen Länder nach 1919. Denn die Weimarer Verfassung hatte deren Einfluß im Vergleich zur föderalistischen Ordnung des Kaiserreichs von 1871 erheblich reduziert und ihnen nur noch minimale Eigenrechte zugebilligt.
     
    Die Franzosen in Hessen.
Ein Problem von drückender Brisanz für den Volksstaat Hessen ergab sich aus der Besetzung des Rheinlands durch Truppen der französischen Siegermacht gemäß den Waffenstillstandsbedingungen vom November 1918 und den Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919. Die auf eine Dauer von 15 Jahren befristete Rheinlandbesetzung

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