Geschichte Hessens
Hessen wurde beseitigt.
In der preußischen Provinz Hessen-Nassau trat allerdings im Juni 1933 mit dem Prinzen Philipp von Hessen (1896–1980) zunächst noch einmal ein Mitglied der 1866 abgesetzten Dynastie als Oberpräsident an die Spitze der Verwaltung. Im Unterschied zu einem weiteren prominenten Angehörigen eines ehemals regierenden hessischen Fürstenhauses, Erbprinz Josias von Waldeck (1896–1967), war der unpolitische, künstlerisch engagierte Philipp kein entschiedener Parteigänger der Nationalsozialisten. Während Josias von Waldeck als persönlicher Freund und Gefolgsmann Heinrich Himmlers höchste Ämter innerhalb der SS bekleidete und an der Verankerung des Nationalsozialismus in seinem Heimatland Waldeck erheblichen Anteil hatte, diente Philipp von Hessen dem neuen Regime vor allem als aristokratisches Aushängeschild. Philipp war der Schwiegersohn des Königs von Italien. In dieser Stellung war ihm eine Vermittlerrollezwischen Berlin und Rom zugedacht. Diese endete jedoch abrupt im Juli 1943, als Viktor Emanuel III. Mussolini entmachtete, das faschistische Regime in Italien beendete und später Deutschland den Krieg erklärte. Prinz Philipp wurde als Oberpräsident abgesetzt und im Konzentrationslager Flossenbürg inhaftiert; seine Frau Mafalda, die italienische Königstochter, starb 1944 im Konzentrationslager Buchenwald.
In Bewegung geriet nach 1933 nicht zuletzt die territoriale Struktur Hessens. Dies war in erster Linie eine Folge des Machtstrebens regionaler Parteigrößen, kaum hingegen die konzeptionelle Fortsetzung «großhessischer» Überlegungen aus der Weimarer Zeit. Der (seit 1927) in Frankfurt am Main residierende Leiter des NSDAP-Gaus von Hessen-Nassau, Jakob Sprenger entfaltete auch in dieser Hinsicht besonders eifrige Aktivitäten. Sein Ziel war es, den gesamten Rhein-Main-Raum in einem einheitlich durchorganisierten «Reichsgau» unter seiner Führung politisch und administrativ zusammenzufassen. Im April 1944 kam er diesem Ziel insofern nahe, als er bei Hitler die Aufteilung der preußischen Provinz Hessen-Nassau in die Provinzen Kurhessen und Nassau durchsetzen konnte. Sprenger vermochte dadurch seinen Ämtern in Frankfurt am Main und in Darmstadt nun auch noch dasjenige eines Oberpräsidenten von Nassau hinzuzufügen. Die traditionelle Verwaltungsgrenze zwischen Hessen-Darmstadt und Nassau war damit hinfällig geworden. «Kurhessen» freilich bildete auch im letzten Jahr des Dritten Reiches einen eigenständigen Verwaltungsbezirk.
Widerstand.
Das politische Leben während der zwölfjährigen braunen Tyrannei in Hessen unterschied sich kaum von der Lage in anderen Ländern und Regionen des Reiches. Auch in Hessen gab es Repression und Verfolgung, ebenso wie mehr oder weniger offen bekundeten Widerstand. Dieser kam aus den verschiedensten politischen Lagern, was sich im Blick auf die am Attentatsversuch gegen Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligten Hessen offenbart. Als unbestrittene Zentralfigur und Mittelsmann zwischen militärischen und zivilen Oppositionskreisen galt der aus einer hessischen Offiziersfamilie stammende ehemaligeGeneralstabschef des Heeres, Generaloberst Ludwig Beck (1880–1945). Er war im Fall eines Gelingens des Putsches als neues Staatsoberhaupt vorgesehen. Hermann Kaiser (1885–1945), langjähriger Studienrat in Wiesbaden und Vertrauensperson der Verschwörer in Kassel, hätte in einer Nachkriegsregierung das Amt des Staatssekretärs im Kultusministerium übernommen. An der Spitze des sozialdemokratischen Widerstandes in Hessen rangierte der frühere Innenminister des Volksstaates Hessen, Wilhelm Leuschner (1890–1945), der Vizekanzler und Reichsinnenminister werden sollte. Leuschners Darmstädter Freunde, die Journalisten Carlo Mierendorff (1897–1943) und Theodor Haubach (1896–1945) waren vor 1933 führend in republiktreuen Organisationen tätig gewesen. Zum sozialdemokratischen Widerstand in Hessen zählten zudem der hessendarmstädtische Ministerialbeamte Ludwig Schwamb (1890–1945) sowie die aus Hessen-Nassau stammenden Gewerkschafter Adolf Reichwein (1898–1944) und Franz Leuninger (1898–1945). Maßgeblich für den kirchlichen Widerstand in Hessen war der in Lampertheim aufgewachsene Jesuitenpater Alfred Delp (1907–1945).
Die Kirchen.
Das Verhältnis der christlichen Kirchen zum Dritten Reich in Hessen war uneinheitlich. Während die katholische Kirche gegenüber den Lehren des Nationalsozialismus weitgehend Distanz hielt,
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