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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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Allerdings blieben einige genuin hessische Gebietsteile infolge der amerikanischen Entscheidung außerhalb des großhessischen Staatsterritoriums. Dies waren die vier zu Nassau zählenden Landkreise Ober- und Unterwesterwald, Unterlahn und St. Goarshausen sowie das zuHessen-Darmstadt gehörende linksrheinische Rheinhessen mit Bingen, Mainz, Worms und Alzey. Sie wurden später dem aus der französischen Besatzungszone gebildeten Land Rheinland-Pfalz zugeschlagen. Die in der Folgezeit mehrfach unternommenen Versuche der Hessischen Landesregierung, eine Rückführung dieser von Hessen abgetrennten Gebietsteile durchzusetzen, blieben ohne Erfolg.
    Der von den Amerikanern vollzogenen Staatsgründung Groß-Hessens folgte die Einsetzung des parteilosen Wirtschaftsjuristen und Heidelberger Universitätsprofessors Karl Geiler zum ersten hessischen Ministerpräsidenten im Oktober 1945. Seinem Kabinett gehörte neben dem späteren langjährigen Landesvater Georg August Zinn (SPD) – er zeichnete für das Justizressort verantwortlich – auch der hessische CDU-Vorsitzende Werner Hilpert an. Unter den stets wachen Augen der amerikanischen Militärregierung berief Geiler im Februar 1946 einen «Beratenden Landesausschuß». Als einem paritätisch von den vier damals relevanten Landesparteien (SPD, CDU, LDP, KPD) beschickten vorparlamentarischen Gremium kam ihm eine wesentliche Funktion in der Phase der Demokratiegründung in Hessen zu. Im Juni 1946 wurde eine «Verfassungberatende Landesversammlung» gewählt. Ihr oblag die Ausarbeitung der Hessischen Verfassung. Der entsprechende Verfassungsentwurf, dessen Bestimmungen auf einem echten und später vielfach als vorbildlich empfundenen Kompromiß zwischen den Vorstellungen vor allem von SPD und CDU beruhten, wurde – nach einigen Änderungen seitens der Amerikaner – von den Hessen in einer Volksabstimmung am 1. Dezember 1946 mit Dreiviertelmehrheit (76,8 %) angenommen. Die erste und älteste demokratisch legitimierte deutsche Landesverfassung nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Diktatur trat noch am gleichen Tag in Kraft. Der Neuanfang war vollzogen.
    Hessen, wie das Land nunmehr offiziell hieß, wurde in den folgenden Jahren zu einem Vorreiter politischer Modernität im Nachkriegsdeutschland. Manche freiheitlichdemokratischen Überlieferungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mochten in diesem Zusammenhang nun traditionsbildendeKräfte und Funktionen entfalten. Die Hessische Verfassung von 1946, die – abgesehen von geringfügigen Änderungen – bis heute in Geltung steht, besaß nämlich schon damals einige bemerkenswerte Besonderheiten, durch welche sie sich von den anderen deutschen Länderverfassungen der Nachkriegszeit unterschied. Dazu gehörte vor allem die konsequent sozialstaatliche Ausrichtung des Verfassungstextes, der nichts Geringeres als ein gesellschaftspolitisches Programm formulierte. Wegweisend waren hier die verfassungsmäßige Verankerung des innerbetrieblichen Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer (Artikel 37) sowie die Forderung nach Überführung von Schlüsselindustrien und Großbanken in Gemeineigentum (Artikel 41). Zur politischen Umsetzung beider Verfassungsartikel kam es in der Folgezeit allerdings nicht. Stattdessen gab es Konflikte mit den Amerikanern. Denn diese befürchteten eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit ebenso wie eine Gefährdung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft. Sie unterbanden daher die Realisation des entsprechenden Verfassungsauftrags.
     
    Die politischen Parteien.
In den Jahren des demokratischen Neubeginns nach 1945 gab es zwischen den beiden Volksparteien SPD und CDU ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Betonung des Prinzips sozialer Gerechtigkeit. Parteien waren von der US-Militärregierung bereits im August 1945 – zunächst auf lokaler Ebene – zugelassen worden. Vier von ihnen gelang es, sich in der Folgezeit landesweit durchzusetzen.
    Die SPD konnte in Hessen an ihre Tradition aus der Ära der Weimarer Republik anknüpfen. Zudem genoß sie das ausdrückliche Vertrauen der Militärregierung, die in den Wochen und Monaten unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zahlreiche Spitzenpositionen in der kommunalen Verwaltung mit ausgewiesenen Sozialdemokraten besetzte. Unter diesen befanden sich so herausragende Persönlichkeiten wie Ludwig Bergsträsser (1883–1960), Hermann Louis Brill (1895–1959) und Georg August Zinn (1901–1976).
    Die CDU

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