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Geschichte Hessens

Geschichte Hessens

Titel: Geschichte Hessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank-Lothar Kroll
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der Bundesrepublik Deutschland: «Männer und Frauen sind gleichberechtigt». Neben Elisabeth Selbert gelangte im zweiten Nachkriegsjahrzehnt die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Elisabeth Schwarzhaupt (1901–1986) (CDU) zu länderübergreifender Popularität. 1961 berief Konrad Adenauer die Hessin als Bundesgesundheitsministerin und erstes weibliches Kabinettsmitglied in seine bis dahin rein männliche Regierungsmannschaft. In ihrer Tätigkeit als Ministerin auch unter Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard wirkte Elisabeth Schwarzhaupt an zahlreichen Verordnungen mit, die im Arznei- und Lebensmittelwesen, hauptsächlich aber im Umweltschutz neue Maßstäbe setzten.
     
    Vergangenheitsbewältigung.
Zu den Impulsen, die in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten von Hessen auf das politische Klima der gesamten Bundesrepublik einwirkten, gehörten nicht zuletzt Art und Umfang der Ahndung und strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, die in Hessen mit besonderer Intensität betrieben wurden. Schon die amerikanische Besatzungsmacht hatte sich im Rahmen ihrer Demokratisierungskonzeption um den Austausch der belasteten alten Eliten und Funktionsträger des Dritten Reiches auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung bemüht und eine großangelegte «Entnazifizierung» betrieben. Von etwa 34.000 Beamten in Groß-Hessen wurden damals 57 % entlassen. Auch nach dem Ende der Besatzungsherrschaft blieben die hessischen Justizbehörden hier überaus rege. Vor allem der seit 1956 in Frankfurt am Main amtierende Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903–1968, SPD) entfaltete in dieser Hinsicht weit über die Grenzen Hessens hinaus beachtete Aktivitäten. Das galt in besonderem Maß für den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozeß 1964/65 sowie für die sich anschließenden Gerichtsverfahren gegen Verbrechen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen «Euthanasie»-Aktion. Gegen manche in der westdeutschenJustiz herrschende Widerstände strebte Bauer danach, die historischen Hintergründe des nationalsozialistischen Vernichtungsprogramms aufzuhellen und damit das ganze Ausmaß der Verbrechen in die westdeutsche Erinnerungskultur zurückzuholen. Das Prozeßgeschehen erregte auch deshalb internationale Aufmerksamkeit, weil es die bisher umfassendste Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Bundesrepublik darstellte und einer damals weitverbreiteten «Schlußstrich-Mentalität» entgegenwirkte.
     
    Religionen und Kirchen.
Eine Leistung von besonderer Qualität bildete der Wiederaufbau jüdischer Gemeinden in Hessen. Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs gab es von den 73.000 Juden, die vor 1933 in über 400 jüdischen Gemeinden Hessens beheimatet waren, nur noch etwa 600, in den meisten Ortschaften waren es kaum mehr als ein Dutzend Menschen. Für die Überlebenden des Holocaust aus ganz Europa hatte die amerikanische Militärregierung zunächst Notunterkünfte als Durchgangslager eingerichtet. Die wenigsten Juden freilich wollten nach allem, was geschehen war, in Deutschland bleiben: Waren es 1947 in ganz Hessen noch fast 35.000, so verminderte sich ihre Zahl bis zum Jahr 1952 auf 1500. Gemeinsam mit den 1945 noch in Hessen wohnenden überlebenden deutschen Juden und mit jenen, die ab Ende der 1940er Jahre als Remigranten aus dem westlichen Ausland nach Hessen zurückkehrten, gründeten sie neue jüdische Gemeinden – in Frankfurt am Main, Offenbach und Wiesbaden ebenso wie in Bad Nauheim, Darmstadt, Kassel oder Hanau. In den kleinen Städten und Dörfern freilich, in denen vor 1933 das für Hessen so charakteristische Landjudentum sein reiches kulturelles Leben entfaltet und seine Traditionen gepflegt hatte, ist es nicht zur Wiederherstellung eines aktiven Gemeindelebens gekommen. Mit dem 1948 gebildeten «Landesverband Jüdischer Gemeinden in Hessen» hat das Land Hessen 1986 einen Staatsvertrag geschlossen, ähnlich wie vorher schon mit den evangelischen Landeskirchen (1960) und mit den katholischen Bistümern (1963, 1974). Die Staatsverträge garantieren noch einmal ausdrücklich die bereitsin der Hessischen Verfassung von 1946 (Artikel 48) festgeschriebene Freiheit und Unabhängigkeit der einzelnen Religionsgemeinschaften und sichern diesen finanzielle Unterstützung zu, die in erster Linie den zahlreichen Bildungseinrichtungen sowie sozialen und karitativen Organisationen in konfessioneller Trägerschaft zugutekommt.
    Die beiden christlichen Kirchen hatten sich bereits im August 1945

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