Geschichte Irlands
Protestantische Familiendynastien, ein kultureller und wirtschaftlicher Elitismus, die Besetzung politischer und administrativer Schlüsselpositionen, die Architektur prächtiger Landhäuser als Symbol sozialer In- und Exklusion, die persönliche Identifikation mit dem Land und seiner Erinnerungskultur â selbstbewusster konnte sich eine Minderheit in keinem anderen von England abhängigen Land zeigen, sieht man vom frühkolonialen Virginia und dem Selbstwertgefühl der Siedlerbewegung in Amerika ab. Längerfristiger Erfolg war diesem Dominanzstreben 1782 im protestantisch kontrollierten Parlament von Henry Grattan beschieden. Kurzfristig aber wurde es von Jonathan Swift literarisch verarbeitet. Noch vor der englisch-schottischen Realunion von 1707 verfasste er seine dann 40 Jahre später gedruckte
Story ofthe Injured Lady
(1746), eine Aufforderung zur Emanzipation und Gleichstellung Irlands mit England. Ob Swifts Schriften deshalb als Kritik an Englands kolonialer Zivilisierungsmission gedeutet werden können oder als Ausdruck einer romantischliberalen Humanität, ist offen. Er war wohl weder ein Antikolonialist noch ein Proto-Nationalist, sondern vor allem ein bissiger Satiriker.
Der Katholizismus übersah genau wie der Protestantismus, dass es neben ihnen noch eine dritte Kraft gab, nämlich die der religiösen Nonkonformisten, der «Dissenters», wie z.B. der Presbyterianer und der Quäker. Diese wurden von sämtlichen staatlichen Ãmtern ausgeschlossen, wogegen sie mit der Begründung protestierten, sie hätten 1688 an der Niederlage des Katholizismus mitgewirkt. Swift dagegen argumentierte in
The Presbyterianâs Plea of Merit
, dass der religiöse «Dissent» sich stets auf die Seite schlage, von der er als Minderheit am meisten Entgegenkommen erwarten könne. Das mache ihn im Ergebnis unglaubwürdig und unberechenbar.
In der konfessionellen Vielschichtigkeit lag trotz aller Konflikte ein intellektueller und ästhetischer Reiz des irischen 18. Jahrhunderts. In das europäische Irlandbild zur Zeit des Ancien Régime flossen unterdessen stereotype Eindrücke ein, so etwa in Diderots und dâAlemberts
Encyclopédie
, wo Irland eine «extreme Dekadenz» zugeschrieben wurde. Mit Verweis auf England sparte auch Voltaire nicht mit Kritik an der Staatskirche, bescheinigte aber dem Pluralismus der Religionen eine kulturelle Bedeutung: «Wenn es in England nur einen Glauben gäbe, müsste man Despotismus fürchten; gäbe es zwei, schnitten sie sich die Hälse ab; aber es gibt dreiÃig davon, und sie leben glücklich und in Frieden.» Was Voltaire zufolge für England galt, war auch in Irland in MaÃen möglich. Intoleranz gegenüber dem religiös Anderen war kein gutes Rezept zur Befriedung des Nachbarn.
Infolgedessen lässt sich als ein Merkmal der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die ambivalente Stellung der Ascendancy festhalten, die sich noch für Arthur Youngs Reiseeindrücke
A Tour in Ireland
(1780) als prägend erweisen sollte. Als gesellschaftlicheMinderheit beanspruchte die Ascendancy eine kulturelle und politische Deutungshoheit, die sie als natürliches wie historisches Recht zu behaupten suchte. Gleichwohl schien sie konstant in Frage gestellt zu sein, weil zu erwarten war, dass das englische Parlament dem Druck nach Liberalisierung der antikatholischen Gesetzgebung irgendwann nachgeben würde. Aus dieser fragilen politischen Stellung der Ascendancy erklärt sich, dass ihr Konzept von Zivilisation zum einen den Anspruch auf parlamentarische Repräsentation und zum anderen die kulturprotestantische Mission umfasste.
Die argumentative Legitimationsbasis bildeten die Prinzipien der Glorreichen Revolution von 1688. Konservative Zweige der Ascendancy, die sich in der Tradition von Swifts anglophoben
Drapierâs Letters
als «Tories» bezeichneten, einte die einmalige Kombination aus kompromisslosem Protestantismus und einer zynischen Distanz zur Ãbernahme des englischen Throns durch die Hannoveraner 1714. Bis zur endgültigen Niederschlagung der Jakobiten, der Anhänger Jakobs II., im Jahr 1745 war nicht auszuschlieÃen, dass die Katholiken die Stuart-Dynastie wiederherzustellen versuchten. Ein stehendes protestantisches Heer von über 15.000 Mann sollte innere Stabilität und äuÃere Abwehr der Franzosen garantieren. Es wurde durch die vielen Kasernen
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