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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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bringt es auf den Punkt. Ich sah auf diese Frau hinab, diese Marthe Bauer aus Münster. Ihr Gesicht war so bleich wie ihr Kopfkissen, und in ihren Augen leuchtete ein mir unbegreiflicher Stolz.
    ›Jetzt weißt du es, Axi‹, sagte sie.
    Der Name haute mich um wie ein Stein. Er wühlte Gedächtnispfützen auf.
Axi
… da klingelte etwas, wie man so sagt.
    ›Und mein echter Vater?‹ fragte ich sie. ›Sturmbannführer Bauer? Was ist aus ihm geworden?‹
    Sie schüttelte den Kopf. ›Die Polen haben ihn gefangengenommen und gehängt. Das habe ich immerhin herausgefunden. Nach langer Zeit. Es hat Jahre gedauert. Weißt du, ich mußte ja ständig auf der Hut sein. Endlich kam mir der Gedanke, mich mit dem Wiener Simon-Wiesenthal-Zentrum in Verbindung zu setzen und zu behaupten, ich hätte ihn in New York auf der Straße gesehen. Ich bekam zu hören, ich müsse mich geirrt haben, denn Dietrich Bauer sei 1949 definitiv verurteilt und hingerichtet worden. Da wußte ich Bescheid. Aber keine Angst, Axi‹, fügte sie hastig hinzu, ›ichbin sicher, daß er glücklich starb. Er wußte, daß wir in Sicherheit waren.‹
    ›Warum hast du mir das alles nie erzählt, Mutti?‹ fragte ich und versuchte, nicht allzu entsetzt zu klingen. Die Frau lag im Sterben. Einem Menschen auf dem Sterbebett macht man keine Vorhaltungen.
    ›Weil alles andere keine Rolle spielte. Nur deine Sicherheit zählte. In dieser Welt ist ein Jude besser dran als ein Deutscher. Aber ich habe mich immer danach gesehnt, dir eines Tages deinen wahren Namen verraten zu können. Ich bin dir eine gute Mutter gewesen. Ich habe dich beschützt.‹
    Michael, ich kann Ihnen sagen, der Ingrimm in ihrer Stimme jagte mir echte Angst ein.
    ›Du solltest dich nicht für deinen Vater schämen. Er war ein guter Mensch. Ein wunderbarer Arzt. Ein gütiger Mann. Er hat getan, was er konnte. Das versteht heutzutage niemand mehr. Die Juden waren eine Bedrohung. Eine echte Bedrohung. Es mußte einfach etwas geschehen, da waren sich alle einig. Vielleicht sind ein paar Leute zu weit gegangen. Aber so, wie man heutzutage über uns redet, könnte man glauben, wir wären die reinen Tiere gewesen. Wir waren keine Tiere. Wir waren Menschen mit Familien, mit Idealen und Gefühlen. Ich will nicht, daß du dich schämst, Axi. Ich will, daß du stolz bist.‹
    Das hat sie wortwörtlich gesagt. Ich saß noch einige Zeit bei ihr am Bett und hielt ihre Hand. Ich spürte, wie ihr Griff schwächer wurde. Schließlich sagte sie: ›Du kannst jetzt die anderen hereinbitten. Ich bin bereit.‹
    An der Tür drehte ich mich noch einmal um und sah, daß sie nach einem hebräischen Gebetbuch gegriffen hatte. Ich stand da und sah sie an, während ihre Freunde an mir vorbeidefilierten und sich um das Bett herum aufstellten, wie es der jüdische Brauch vorschreibt. Und das, Michael, war das Letzte, was ich von meinem zweiten Elternteil gesehen habe. Jetzt wissen Sie es.«
    Mein Kaffee war längst kalt. Ich betrachtete das Regal mit seinen unzähligen Büchern. Alle zum selben Thema.
    Leo folgte meinem Blick. »Primo Levi hat seinem Buch
Das periodische System
ein jiddisches Sprichwort vorangestellt«, sagte er. »›
Ibergekumene zoress is gut zu derzajln.
– Überstandene Leiden lassen sich gut erzählen.‹ Vielleicht hatte er und vielleicht haben andere ihre Leiden überstanden. Ich werde meine niemals überstanden haben. Und sie haben sich auch nicht gut erzählen lassen. Ich bin mit einem Blut befleckt, das sich in dieser Welt nicht abwaschen läßt. Vielleicht in einer anderen. Wohlan, Michael, lassen Sie uns jene andere Welt erschaffen.«

Geschichte machen
    47° 13’ N, 10° 52’ O
     
    AUFBLENDE:
    Außen Michaels Haus – Nacht
    EINFÜHRUNGSTOTALE auf das Haus in Newnham. In allen Zimmern brennt Licht. Ein Käuzchen schreit. Drinnen hört man Scharren und dumpfes Krachen.
     
    SCHNITT AUF:
    Innen Michaels Haus, Schlafzimmer – Nacht
    MICHAEL ist im Schlafzimmer und sucht unter dem Bett. Er führt Selbstgespräche.
     
    MICHAEL
    Komm schon, Baby … ich weiß doch, daß du dich hier irgendwo versteckt hast …
     
    Er geht zum Kleiderschrank und öffnet ihn. Er ist leer. Er sucht auf dem Schrankboden.
     
    MICHAEL
    Komm schon!
     
    Er steht auf und schlägt sich frustriert auf den Schenkel. Er sieht oben auf dem Schrank nach. Nichts.
    Er geht ins Badezimmer.
     
    SCHNITT AUF:
    Innen Michaels Haus, Badezimmer – Nacht
    MICHAEL reißt das Badezimmerschränkchen über dem Waschbecken

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