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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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die Männer an, »schöpft vom Wasser, trinkt, soviel ihr könnt, und dann geht hinaus in die Wüste! Geht, wie die tapfere Frau gegangen ist, die ihr vertrieben habt! Dreht euch nicht um, und kommt nie mehr wieder hierher zurück!«
    So mächtig war der Zorn des Moses! Keiner der Männer widersprach. Keine der Frauen wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben.
    »Ihr seid am Tod eurer Herrin schuld!« schalt Moses die Mägde, als er mit ihnen allein war. »Kein Mensch kann ganz allein durch die Wüste gehen. Zippora wird sterben!«
    »Andere mögen vielleicht in der Wüste sterben«, antworteten die Mägde. »Nicht aber unsere Herrin. Sie ist stärker als ein Löwe und ausdauernder als ein Kamel.«
    »Seid ihr sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Da flog der Zorn davon, und am liebsten hätte er die Mägde umarmt, als ob sie Retterinnen und nicht Verräterinnen wären.
    »Schlachtet ein Lamm!« sagte er. »Bereitet ein Mahl! Ich habe Hunger.«
    Während sie aßen, fragte Moses die Mägde aus, und sie erzählten ihm bereitwillig alles, was er wissen wollte. So erfuhr er, daß Zippora die Tochter des Reguel war, daß ihr Vater ein reicher Mann war, daß sie unverheiratet war und daß sich schon viele Männer um sie beworben hatten.
    »Und warum hat sie keinen genommen?«
    »Die einen hat sie selbst abgewiesen«, sagten die Mägde, »weil die Männer mehr am Reichtum ihres Vaters als an ihr interessiert waren.«
    »Und die anderen?«
    »Die anderen hat ihr Vater abgewiesen, weil sie die Aufgabe nicht erfüllen konnten, die er ihnen stellte.«
    »Führt mich zu eurer Herrin!« rief er aus.
    »Wir können nicht zu ihr zurück«, sagten die Mägde. »Zippora weiß, was wir getan haben. Sie wird uns ihrem Vater übergeben, und der wird uns töten.«
    »Ach«, rief Moses aus, »ihr kennt eure Herrin nicht! Sie ist gütig und sanftmütig, sie kann verzeihen, ihr Herz ist so schön wie ihr Gesicht, und ihre Seele klingt hell wie ihre Stimme.«
    »Von wem sprichst du eigentlich?« fragten die Mägde. »Unsere Herrin ist alles andere als sanftmütig, sie kann im Gegenteil sehr zornig sein.«
    »Ich kann auch sehr zornig sein, und trotzdem bin ich sanftmütig«, entgegnete Moses.
    Und die Mägde mußten ihm recht geben.
    »Aber«, sagte eine, »aber eines stimmt ganz gewiß nicht in deiner Beschreibung. Schön ist unsere Herrin nämlich wirklich nicht.«
    »Sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe«, sagte Moses.
    »Vielleicht hast du noch nicht viele Frauen gesehen«, kicherte eine andere.
    Und Moses lachte mit.
    »Ich habe mehr Frauen gesehen, als ihr alle miteinander Männer gesehen habt!«
    »Ich bin Zipporas Dienerin«, sagte eine dritte, »ich kenne sie wohl besser als du, und ich weiß, sie ist nicht schön.«
    »Wie lange hast du sie angesehen?« fragte Moses.
    »Ich verstehe die Frage nicht«, sagte die Magd. »Ich sehe meine Herrin immer wieder, ich sehe sie jeden Tag.«
    »Dann will ich dich etwas anderes fragen«, sagte Moses. »Wie lange arbeitest du schon auf dem Hof des Reguel?«
    »Seit zehn Jahren.«
    »Das ist eine lange Zeit, gibst du mir recht?«
    »Da gebe ich dir freilich recht.«
    »Wie viele Zelte stehen auf dem Hof eures Herrn, wie viele Ställe, wie viele Häuser für seine Berater, wie viele Hütten für seine Knechte?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte die Magd. »Es sind viele Häuser und Ställe und Hütten und Zelte.«
    »Aber du siehst die Zelte und Häuser und Ställe und Hütten doch jeden Tag«, sagte Moses. »Du siehst sie immer wieder. Du siehst sie und kennst sie dennoch nicht. Ich habe Zipporas Gesicht eine ganze Nacht und einen ganzen Tag lang angesehen, ich kenne es besser als jeder Mensch, ich kann jede Einzelheit genau beschreiben, und ich weiß, daß Zippora ein schönes Gesicht hat.«
    Da wußte die Magd nichts dagegen zu sagen, sie mußte Moses zustimmen, aber sie hatte dennoch das Gefühl, daß sie recht hatte.
    »Wenn ihr mich zu Zippora führt«, sagte Moses, »werde ich dafür sorgen, daß ihr nicht nur nicht bestraft, sondern daß ihr für eure Tapferkeit und Treue reich belohnt werdet.«
    Reguel war ein kleiner, kahler König. Einer, der große Herden besaß und viel Gesinde und der sich König nannte. Sich jedenfalls gern König nennen ließ.
    Moses hatte die Mägde angewiesen, vor der Siedlung zu warten. Er wolle erst allein mit dem König sprechen. Das war ihnen sehr recht, ein wenig mißtrauten sie doch noch dem Verhandlungsgeschick des großen Mannes, zumindest

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