Geschichten von der Bibel
Wichtiges zu hören gab, hat nicht gerochen, wenn es nichts Wichtiges zu riechen gab, und hat die Augen zugemacht, wenn er meinte, daß nichts da sei, was wert wäre, angeschaut zu werden.
Nun also ist es wieder soweit, dachte er. Er war nicht gefaßt darauf, und daß es mitten in der Nacht in seiner Hütte geschehen wird, damit hatte er nicht gerechnet. Er geriet in Aufregung.
Aber seine Aufregung hatte nicht nur theologische Gründe, sondern auch politische.
Die Hütte des Moses stand im Stadtteil Gossem, dort wohnten die Israeliten. Die Hütten waren am Tag leer, weil die Männer und die Frauen arbeiteten. Sie arbeiteten auf ihren Feldern und in ihren Werkstätten, wo sie immer gearbeitet hatten, und dann, wenn diese Arbeit verrichtet war, zogen sie in die Fabriken vor der Stadt, wo sie noch Stunden unbezahlter Fronarbeit für den Pharao leisten mußten, ehe sie endlich nach Hause durften. Das war blanker Terror, und der bewirkte in erster Linie, daß der Widerstandsgeist im Volk Israel geweckt wurde. Der Widerstand wiederum verschärfte den Terror.
Die Stabilität der Gesellschaft war in Gefahr. Alles, was gestern galt, galt heute nicht mehr.
Gestern hatten die Führer Israels gepredigt: »Erhebt euch! Leistet Widerstand! Kämpft gegen die Unterdrückung!«
Gestern hatten die Leute geantwortet: »Wogegen sollen wir uns erheben? Wogegen sollen wir Widerstand leisten? Und gegen welche Unterdrückung sollen wir kämpfen?«
Heute sagten die Führer: »Die Fron, der Terror, das ist alles die Schuld des Moses. Er hat euch aufgehetzt. Bis er kam, haben wir in Frieden gelebt. Moses hat die Geduld des Pharaos über Gebühr strapaziert. Moses könnt ihr euer Unglück danken!«
Die Menschen aber vergaßen, was ihre Führer gestern und vorgestern gesagt und gepredigt hatten.
Heute hielten sie dagegen: »Moses hat recht. Er hat uns aufgeweckt. Er hat gesagt, wir werden unterdrückt. Und werden wir etwa nicht unterdrückt? Er sagt, erhebt euch, leistet Widerstand, kämpft gegen die Unterdrückung. Wir wissen, was er meint. Also folgen wir ihm!«
Und Israel leistete Widerstand gegen den Pharao. Und der Pharao verschärfte seine Maßnahmen.
Eine der Maßnahmen war: Die Hütten und Häuser der Hebräer durften kein Licht haben. Soldaten kamen und sammelten alle Lampen ein. Im Dunkel, so meinten die Berater des Pharaos, falle es den Menschen schwerer zu konspirieren. Wer dennoch mit Licht erwischt wurde, wurde verhaftet und eingesperrt.
Ehe sich Moses umdrehen konnte, vernahm er hinter sich eine Stimme, und diese Stimme kannte er.
»Dreh dich nicht um!« sagte die Stimme. »Neige dein Haupt.«
Gott in seiner Herrlichkeit war in der armen Hütte des Moses erschienen, und wieder hatte er sich die Form des Feuers gegeben, und aus dem Feuer sprach er zu seinem Knecht.
»Ich habe einen Auftrag für dich«, sagte Gott zu Moses. »Bist du bereit für mich?«
»Ich bin bereit«, sagte Moses.
»Ich spüre, Moses, du bist nicht ganz bei der Sache.«
»Das ist wahr«, sagte Moses.
»Was sind deine Gedanken?«
»Ich mache mir Sorgen«, sagte Moses. »Dein Licht erstrahlt so hell, meine Hütte ist ganz ausgefüllt von deinem Licht. Nie habe ich diesen Raum so hell gesehen. Aber es ist den Hebräern verboten, in der Nacht ein Licht anzuzünden. Die Soldaten des Pharaos werden kommen und mir die Tür einschlagen. Ich weiß wohl, dann wirst du zu mir stehen und sie vertreiben. Aber es wird Schwierigkeiten geben, und ich denke mir, im Augenblick können wir solche Schwierigkeiten nicht brauchen …«
So redete Moses mit Gott, noch ehe er ihn begrüßt, noch ehe er seiner Freude Ausdruck verliehen hatte, daß Gott nach so langer Zeit – zwei Jahre waren seither vergangen – wieder zu ihm herabgestiegen war.
Gott schwieg. Eine kleine Weile noch war es gleißend hell in der Hütte des Moses. Dann verkleinerte Gott sein Licht, bis nur mehr eine schwache Glut übrig war.
»Ich werde für dich ein Feuer ohne Licht sein«, sagte Gott. »Bist du damit zufrieden?«
Moses antwortete nicht. Er kniete vor dem Tisch, auf dem Sauermilch in einer Schale war und Oliven lagen und noch eine Rinde Brot und ein kleines Bund Zwiebeln. Er kniete und starrte auf den Boden, der schmutzig war wie der Boden eines Stalles, denn Zippora hatte zu Moses gesagt, sie koche für ihn und schlafe mit ihm, aber den Dreck mache sie ihm nicht weg.
»Ich spüre«, sagte Gott, »du bist immer noch nicht ganz bei der Sache.«
»Das ist wahr«, sagte
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