Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
Vom Netzwerk:
Sorgen machte, dieselben Hoffnungen in sich trug …
    Aber der junge König war kein guter Verhandler. Die Bürger von Kittim ließen ihn abblitzen. Ganz gleich, was geschehen war, sagten sie, die Prinzessin ist dem Sohn des Aeneas versprochen, Kittim habe die Brautgeschenke angenommen, die Braut sei bereits unterwegs, wenn Turnus II. auf seinem Wunsch bestehe, Jania zu heiraten, dann müsse er das mit Aeneas und dessen Sohn ausmachen, sie gehe das nichts mehr an.
    Niedergeschlagen kehrte der junge König nach Hause zurück.
    »Was soll ich tun? Ich kann ohne sie nicht leben!«
    »Hol sie dir!« sagte Zephu.
    »Wie denn?«
    »Krieg!«
    »Gegen den starken Aeneas?«
    Zephu sagte: »Er wird überall für so stark gehalten, daß er seine tatsächliche Stärke gar nie zeigen mußte. Aber Stärke bleibt stark nur, wenn sie immer aufs neue bewiesen wird. Ich behaupte, Aeneas ist gar nicht stark.«
    Und Turnus II. erklärte Aeneas den Krieg.
    Was tat Zephu? Er schlug sich auf die Seite von Aeneas. Er gewann das Vertrauen des alten Königs. Und Aeneas, der nie mehr in seinem Leben Krieg führen wollte, führte Krieg gegen Turnus II. Und er besiegte ihn, schlug dessen Armee, vernichtete die blühende Wirtschaft des Landes Benevent. Am Ende war Jania die Gemahlin von Nibulus, und Aeneas hatte den Beweis für Zephus These geliefert, nämlich daß Stärke nur stark bleibt, wenn sie bewiesen wird: Seine Armee war mächtiger als jemals zuvor. Auch wenn die Völker unter dem Krieg leiden, die Armeen macht er stark.
    Nach dem Krieg war das Gleichgewicht der internationalen Beziehungen zerstört. Die militärische Macht des Aeneas war unverhältnismäßig. Eine gefährliche Situation, bedenkt man, welchen Einflüsterer der König an seiner Seite hatte.
    Kenner der griechischen Mythologie werden sich längst gefragt haben: Ist dieser Aeneas jener berühmte Flüchtling, der als einziger zusammen mit seinem Sohn und einem Haufen Getreuer die brennende Stadt Troja verlassen konnte? Ich habe in den Sagen keinen Beleg dafür gefunden, gleichwohl aber einige Hinweise, die dafür sprechen. Die Mythenerzähler, die diesen Stoff behandelten, wollten wohl zwei große Sagenkreise miteinander verknüpfen, sei es aus mythologischer Komplettierungssucht, sei es, um ihrer Geschichte mehr Gewicht zu geben.
    Wie auch immer. Aeneas war jedenfalls ein anderes Kaliber als jener ägyptische Händler, den wir am Beginn unserer Geschichte kennenlernten, oder der ägyptische Hauptmann oder all die anderen, die über Zephu meinten, noch nie in ihrem Leben hätten sie mit einem Mann in solcher Harmonie geschwungen und so weiter. Aeneas hatte Zephu zwar zu seinem Berater gemacht, hatte sich von ihm in einen Krieg hetzen lassen, aber der Einfluß des Einflüsterers hatte seine Grenzen, das sollte Zephu bald zu spüren bekommen.
    »Was ist Macht?« fragte er den König eines Tages – mit einem philosophischen Unterton in der Stimme, was ein Gespräch über unverbindlich Allgemeines erwarten ließ, wie man es führt, wenn zwar nicht alles besprochen, aber alles getan ist.
    »Macht ist Ruhe«, gab Aeneas ohne Zögern zur Antwort. »Wozu sollte Macht sonst dienen, wenn nicht dazu, dem Mächtigen ein Leben in Ruhe zu gönnen?«
    »Das ist eine gute Antwort«, sagte Zephu. »Aber: Was ist Ruhe?«
    »Ruhe heißt, keine Sorgen zu haben.«
    Es war klar: Hier sprachen Lehrer und Schüler miteinander. Der Schüler wollte wissen, der Lehrer wußte. Der Lehrer antwortete, der Schüler fragte. Scheinbar war es so …
    »Und was sind die Sorgen eines Königs?«
    »Die Sorgen des Königs, das sind die Sorgen seines Reiches.«
    »Das heißt, er sorgt sich nicht nur um sein eigenes Wohlergehen und das Wohlergehen seiner Familie, sondern um das Wohlergehen eines jeden Untertans?«
    »Das heißt es.«
    »Und wo endet die Sorge eines Königs?«
    »Sie endet nie.«
    »Was ist nach dem Tod des Königs? Reicht die Sorge des Königs über seinen Tod hinaus?«
    »Ja.«
    »Das heißt, ein König hat nie Ruhe?«
    »Ja, Zephu, das heißt es wohl.«
    »Aber dann hat er ja auch nie Macht.«
    Aeneas merkte, daß ihn Zephu in einen Widerspruch geführt hatte. Oder besser: daß er sich von Zephu in einen Widerspruch hatte führen lassen.
    »Du bist ein scharfer Denker«, sagte er. »Worauf willst du hinaus? Du führst dieses Gespräch doch nicht nur der Worte halber.«
    »Ich mache mir Gedanken über deine Macht«, sagte Zephu.
    »Und zu welchem Schluß bist du gekommen?«
    »Du mußt Krieg

Weitere Kostenlose Bücher