Geschichten von der Bibel
führen.«
»Was redest du da!« polterte Aeneas los. »Was Krieg führen! Ich habe erst einen Krieg geführt. Ich komme aus einem Land, das vom Krieg verwüstet worden ist. Aus meiner brennenden Heimatstadt bin ich geflohen, habe meinen alten Vater auf den Schultern getragen, meinen Sohn an der Hand gehalten. Ich hasse den Krieg. Ich wünsche mir, daß nie wieder Krieg geführt wird auf der Welt! Ich hasse es, wenn Soldaten Soldaten gegenüberstehen!«
»Deshalb mußt du den letzten großen Krieg führen«, sagte Zephu.
»Und gegen wen?«
»Gegen Ägypten. Ägypten verfügt über die letzte große Armee. Du mußt Ägypten niederringen, dann werden nicht mehr Soldaten Soldaten gegenüberstehen. Weil es nur noch deine Soldaten gibt. Erst dann, erst dann kannst du sagen, deine Macht reicht über deinen Tod hinaus.«
Da wurde der alte Aeneas unsicher. Was wäre gewesen, wenn damals der König seiner Heimatstadt seine Feinde geschlagen hätte, bevor sie ihn angegriffen haben? Wieviel Leid wäre erspart geblieben! Und er, Aeneas, hätte nicht durch die Welt irren müssen, und er hätte ein Grab gefunden in der heimatlichen Erde. Vielleicht hatte Zephu recht? Er war ein scharfer Denker.
Aeneas ließ einen Seher rufen. Den besten Seher, Bileam ben Beor. Von ihm werden wir noch viel hören. Damals war er erst fünfzehn Jahre alt, aber bereits ein Star, er war so etwas wie der Superstar unter den Hellsehern seiner Zeit, goldene Haare, goldene Haut und, wie es hieß, eine goldene Stimme.
Aeneas fragte Bileam ben Beor: »Was rätst du, Seher? Was siehst du? Soll ich einen Krieg führen gegen Ägypten?«
Und Bileam ben Beor antwortete: »Nein, tu es nicht, tu das nicht! In Ägypten lebt das Volk Israel, und Israel wird sich mit Ägypten verbünden, denn die beiden Völker sind befreundet. Israel aber hat einen großen Gott, der wird dafür sorgen, daß du diesen Krieg verlierst.«
»Das siehst du?«
»Das sehe ich«, sagte Bileam ben Beor. »Das und noch mehr.«
»Was siehst du noch?«
»Es wird dir nicht gefallen. Wenn du einer bist, der den Boten für die Botschaft schlägt, dann wirst du mich schlagen. Du wirst deinen Ratgeber aus deinem Reich vertreiben! Das sehe ich. Du hättest ihn nie aufnehmen dürfen. Du wirst dafür bezahlen, ihn aufgenommen zu haben. Das sehe ich.«
Nein, Aeneas war nicht einer, der den Boten für die Botschaft schlägt. Er hat den Rat des Hellsehers befolgt. Er hat keinen Krieg gegen Ägypten angefangen. Und: Er hat Zephu verjagt.
Das war eine Niederlage für Zephu. Gewiß. Aber freuen wir uns nicht zu früh. Ein Charakter wie Zephu gewinnt aus Niederlagen mehr Kraft noch als aus Siegen. Denn die Niederlage schürt den Haß, und der Haß war sein Meister.
Zunächst allerdings schien es, als habe Zephu aufgegeben. Er sattelte sein Tier und ritt in die Wüste hinaus, kehrte nach Hause zurück, ins Land der Edomiter. Das war ein weiter Weg. Zephu hatte viel Gelegenheit nachzudenken.
»Ich habe ein neues Bild von der Welt gewonnen«, sagte er, als er angekommen war und bei seinen Brüdern saß, »vor allem ein neues Bild vom Volk Israel.«
»Was soll das heißen?« fragten die Edomiter. »Sind sie noch schlimmer, als wir denken?«
»Nein«, sagte Zephu, »sie sind besser.«
Da lachten die einen, die anderen ballten die Fäuste und stießen sie gegen Zephus Schulter.
»Kommt alle her!« riefen sie. »Zephu ist wieder da! Die Wüste hat ihm das Hirn verbrannt. Er behauptet, dem Jakob seine Leute seien ihm lieb geworden!«
»Ich war in Ägypten«, sagte Zephu, »ich habe mit den Männern und Frauen Israels gesprochen. Sie leben in Wehmut und Trauer. Und sie kennen keine größere Sehnsucht, als sich mit uns zu versöhnen.« Und mit der sanften Stimme des Wolfes fuhr er fort: »Was gewesen ist, ist gewesen. War ich nicht der erste, wenn es darum ging, Israel zu hassen? Aber nun sage ich euch: Sie sind unsere Brüder. Sie sehnen sich danach, daß wir nach Ägypten kommen und uns mit ihnen vereinen und mit ihnen im Wohlstand leben. Sie wollen uns teilhaben lassen an ihrem Glück. Sie wollen wiedergutmachen, was uns ihre Vorfahren angetan haben. Israel und Edom sind Söhne Isaaks, Söhne Abrahams. Und Ägypten ist das Land, in dem Milch und Honig fließen. Es ist das Land, das uns Abraham versprochen hat. Das Gott dem Abraham versprochen hat. Es ist unser Land. Das Land der Söhne Abrahams. Edom und Israel gemeinsam werden die Ägypter besiegen und aus ihrem Land treiben!«
Hat sich
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