Geschichten von der Bibel
verlassen. Zweifelsfrei und zufrieden ist nur der Zerstörer. Er ist bedingungslos, das macht ihn attraktiv. Über Zephu wird die Welt sagen: »Er ist ein Genie!«
Nein, er hatte keinen Plan. Ebenso wie der Gesegnete darauf vertraut, daß ihm das Gute auf seinem Weg entgegenfliegt und ihm die Richtung weist, so verließ sich Zephu auf seinen Haß, und sein Haß war so gewaltig und gab ihm so viel Kraft, daß er sich einbildete, er allein könne die Vernichtung Israels betreiben.
Bereits am nächsten Tag verließ er die Hauptstadt Ägyptens und machte sich wieder auf den Weg hinaus in die Wüste. Er ging den Menschen aus dem Weg, hatte ihn doch die Erfahrung gelehrt, daß ihm die Menschen ihrerseits aus dem Weg gingen, wenn sie ihn erst näher kennengelernt hatten. Da traf er in der Wüste abermals auf eine Karawane, und er schrieb es der Gunst jener Kraft zu, die ihre Macht und Stärke im Haß offenbart, daß diese Karawane im Auftrag von König Aeneas unterwegs war, nämlich um im Namen seines Sohnes Nibulus im Lande Kittim am Hof des mächtigen Königs Uzi um die Hand der Prinzessin Jania zu werben.
König Aeneas, der des Regierens müde war und wohl auch des Lebens, hatte seinen Kanzler geschickt, hatte ihn ausgestattet mit wertvollen Geschenken.
»Vom Land Kittim habe ich nur Gutes gehört«, sagte er, »und von König Uzi nur das Beste. Seine Tochter wird er gut erzogen haben. Ich wünsche mir, daß Nibulus Jania heiratet.«
Ob auch Nibulus Jania heiraten wollte, stand gar nicht zur Debatte.
Einmal meldete sich der junge Königssohn zu Wort: »Ist sie denn auch schön?« fragte er.
»Was spielt das für eine Rolle?« fuhr ihn Aeneas an.
»Wenn sie nicht schön ist, dann will ich sie nicht«, versuchte Nibulus zu trotzen.
Darauf gab ihm Aeneas keine Antwort. Mit einem Wink entließ er den Kanzler.
Aber Nibulus lief dem Kanzler nach.
»Wenn sie nicht wenigstens hübsch ist«, wiederholte er, »dann will ich sie nicht.«
»Es ändert nichts, ob du sie willst oder nicht«, sagte der Kanzler.
»Oh, doch«, beharrte Nibulus. »Wenn sie mir nicht gefällt, werde ich nicht gut zu ihr sein, und wenn ich nicht gut zu ihr bin, wird sie es ihrem Vater melden, und der wird zornig sein, und dann haben wir uns mit der Heirat nicht einen Verbündeten geschaffen, sondern einen Feind.«
Das sah der Kanzler ein, und er versprach Nibulus, daß er ihm ein Bild von Prinzessin Jania mitbringen wird.
»Ein Bild ist ein Bild«, nörgelte Nibulus weiter, »und ein gutes Bild ist ein gutes Bild, aber man hat schon erlebt, daß ein Maler besser malen kann als die Natur.«
»Also, was soll ich tun?«
»Bring mir ein Bild mit von Prinzessin Jania, aber schau sie dir vorher an!«
Der Kanzler versprach es und machte sich mit seinem Troß auf den Weg.
Dieser Karawane schloß sich Zephu an. Und – wir wundern uns nicht – er befreundete sich mit dem Kanzler. Der Kanzler jedenfalls nannte es Freundschaft. Schon nach dem ersten Abend, den er im Gespräch mit Zephu verbrachte, war dem Mann, als sei ihm in seinem an Erfahrungen reichen Leben noch nie ein Mensch begegnet, der in solcher Harmonie mit ihm schwang, der die Welt und die Menschen ebenso sah und deutete wie er, der über dasselbe lachte, sich über dasselbe Sorgen machte, dieselben Hoffnungen in sich trug …
»Ich habe eine heikle Mission zu erfüllen«, vertraute der Kanzler Zephu an. »Ich wünschte, ich hätte jemanden wie dich an meiner Seite.«
Zephu sagte, er werde ihn gern nach Kittim begleiten. Das sei ihm eine Freundespflicht.
»Freundespflicht«, wiederholte der Kanzler mit einem Anflug von Sentiment.
Und Zephu »befreundete« sich auch mit Troilos, dem Sohn des Kanzlers, einem gutgewachsenen, hübschen, durchaus auch klugen Mann. Der zugegebenermaßen etwas naiv war. Wer aber mußte sich hinterher, wenn er Zephu erst näher kennengelernt hatte, nicht vorwerfen, naiv gewesen zu sein?
Schließlich erreichten sie Kittim und wurden am Hof von König Uzi empfangen. Nach dem Gastmahl ließ der König seine Tochter rufen. Aber er erlaubte es nicht, daß sie ihr Gesicht vor den Fremden entblößte. Nur in die Augen durften sie ihr schauen.
»Ein Bild, gut, ein Bild lasse ich von Jania malen«, sagte König Uzi. »Das muß genügen.«
Nun begann die Diplomatie. Der Kanzler argumentierte, ein Bild sei ein Bild, und ein gutes Bild sei ein gutes Bild, aber man habe schon erlebt, daß ein Maler besser malen kann als die Natur, was in diesem Fall nicht unterstellt
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